Die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten ist für viele Menschen eine große Herausforderung. Wir alle kennen das: Wir setzen uns ehrgeizige Ziele, möchten uns gesünder ernähren, abnehmen oder einfach bewusster essen. Doch oft scheitern wir an der Umsetzung.
Warum fällt es uns so schwer, unsere Ernährung langfristig umzustellen? Der Grund dafür liegt oft darin, dass wir uns zu viel auf einmal vornehmen. Wir wollen die perfekte Diät finden, uns von einem Tag auf den anderen komplett umstellen und am liebsten alle schlechten Essensgewohnheiten aufgeben. Diese Herangehensweise führt häufig zu Frustration und Misserfolg und lässt neuronale Zusammenhänge in Bezug auf Veränderung außen vor. Um dies zu vermeiden und um unsere Ernährungsgewohnheiten dauerhaft erfolgreich umzustellen, sollten daher bestimmte Faktoren berücksichtigt werden.
Ziele setzen
„Nur wer das Ziel kennt, kann treffen“. Dieser Spruch trifft auch auf eine Ernährungsumstellung zu. Im Vorfeld ist es wichtig, sich ein Ziel zu setzen. Dieser Punkt erscheint sehr einfach, wird jedoch häufig übergangen. Insbesondere, wenn es darum geht sich ein richtiges Ziel zu setzen. Das Ziel „Ich möchte mich gesünder ernähren“ ist so unspezifisch und unkonkret, dass es quasi nicht erreicht werden kann. Was bedeutet für die Person gesunde Ernährung? Die Antwort kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen.
Es ist somit wichtig, sein Ziel vorab konkret festzulegen. Als Hilfestellung bei der Zielformulierung kann die „SMART Formel” verwendet werden, die sich aus fünf Punkten zusammensetzt.
Spezifisch: Das Ziel sollte so konkret wie möglich formuliert werden. „Ich möchte meinen täglichen Wasserkonsum auf 2 Liter erhöhen und Softdrinks komplett streichen.“
Messbar: Das Ziel sollte messbar gemacht werden können. „Ich notiere mir die tägliche Trinkmenge.“
Attraktiv: Das Ziel sollte für die Person relevant sein. Dieser Punkt scheint vielleicht selbstverständlich, sollte jedoch beleuchtet werden. „Ich möchte meinen Wasserkonsum erhöhen und Softdrinks eliminieren, um Kopfschmerzen zu vermeiden und meinen Stoffwechsel zu fördern.“
Realistisch: Das Ziel sollte erreichbar sein. Die Wassermenge von 0,5 Liter sofort und dauerhaft auf 2 Liter pro Tag zu erhöhen ist eher unrealistisch. „Ich werde immer eine Flasche Wasser bei mir haben, um meinen Wasserkonsum zu erleichtern. Meinen Wasserkonsum steigere ich langsam um ein Glas pro Woche.“
Terminiert: Bis wann soll das Ziel erreicht sein? „Ich werde mein Ziel innerhalb der nächsten vier Wochen erreichen. Nach den vier Wochen bewerte ich meinen Fortschritt und unternehme gegebenenfalls weitere Schritte.“
Die Magie der kleinen Schritte
Jede Veränderung kostet Energie, da unser Gehirn bewusste Entscheidungen treffen muss. Es bevorzugt jedoch den Energiesparmodus und bleibt lieber in seiner Komfortzone. Die Umstellung auf gesündere Ernährungsgewohnheiten ist für unser Gehirn erst einmal unattraktiv stößt daher auf Widerstand. Dies äußert sich beispielsweise in geringer Motivation und dem inneren Schweinehund. Große Veränderungen können überwältigend sein und uns davon abhalten, anzufangen. Um diesen Widerstand zu überwinden, ist es ratsam, die Ernährungsumstellung schrittweise anzugehen.
Bei jeglicher Veränderung stellt unser Gehirn eine erste Vorhersage darüber an, wie groß die Kluft zwischen unserem aktuellen Zustand und dem Ziel ist. Es schätzt die Erfolgswahrscheinlichkeit ab, was unseren Willen zur Veränderung maßgeblich beeinflusst. Die Erreichbarkeit des Ziels motiviert uns, während zu große Ziele den ersten Schritt erschweren.
Viele Menschen möchten ihre Ernährung auf mehreren Ebenen gleichzeitig umstellen, um schnelle Ergebnisse zu erzielen. Doch dieser Überaktionismus scheitert oft. Kleine Schritte sind hingegen zielführender und nachhaltiger. Ein zusätzliches Glas Wasser pro Tag trinken. Eine Portion Gemüse integrieren. Das Frühstück optimieren. Indem wir uns auf einfache, umsetzbare Maßnahmen konzentrieren, sind wir motivierter und haben Erfolgserlebnisse. Diese Erfolge schaffen eine positive Verstärkungsschleife, die uns dabei unterstützt, neue Gewohnheiten beizubehalten.
Die Frage, ob wir die Maßnahme mit geringem Aufwand täglich umsetzen können, ist entscheidend. Selbst am schlechtesten Tag unseres Lebens sollten wir dazu in der Lage sein. Wenn die Antwort ja lautet, ist langfristiger Fortschritt garantiert. Indem wir uns auf das Machbare und die tägliche Umsetzung konzentrieren, schaffen wir eine optimale Basis für langfristigen Erfolg und nachhaltige Veränderungen in unserer Ernährung.
Die Frage nach dem Warum
Bei einer Ernährungsumstellung ist die Frage nach dem „Warum“ entscheidend. Was sind meine Gründe dafür, ab jetzt weniger Süßigkeiten essen? Was ist meine intrinsische Motivation, frisch zu kochen? Wie bereits erwähnt, ist die Etablierung neuer Gewohnheiten mit einem gewissen Aufwand verbunden. Neben der Frage, wie leicht das Ziel zu erreichen ist, stellt sich unser Gehirn auch die Frage, warum es weiterhin Energie in den Veränderungsprozess investieren sollte. Die Bedeutung des Ziels spielt hierbei eine Rolle.
Es ist hilfreich, die Frage nach dem Warum sorgfältig zu beantworten und die Antworten zu notieren. Diese Notizen können als Unterstützung dienen, wenn die Motivation oder Disziplin nachlassen. Es ist sicher, dass die Motivation während des Umstellungsprozesses abnehmen wird. Das eigene Warum zu kennen hilft langfristig dabei, das Ziel zu verfolgen und auch in schwierigen Phasen die gewünschten Ernährungsgewohnheiten beizubehalten.
Maximale Flexibilität für nachhaltigen Erfolg
Flexible Gewohnheiten sind entscheidend für eine erfolgreiche Ernährungsumstellung. Sie ermöglichen es uns, in verschiedenen Situationen handlungsfähig zu bleiben, was ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Veränderungen erfordern immer Aufwand, und es gibt viele Faktoren, die uns daran hindern können, konsequent unsere Ernährungsziele zu verfolgen, wie Zeitmangel, Stress, Feiertage, Urlaub, Einladungen oder berufliche Anforderungen. Es ist wichtig, Alternativen zu finden, um in solchen Situationen dennoch Fortschritte zu erzielen.
Ein flexibler Ansatz erlaubt es uns, uns anzupassen und unsere Ziele im Blick zu behalten. Es ist ratsam, im Voraus einen Plan B festzulegen, da unerwartete Ereignisse früher oder später auftreten werden. Zum Beispiel, wenn wir nach einem anstrengenden Arbeitstag müde nach Hause kommen, fällt es oft schwer, gute Essensentscheidungen zu treffen und frisch zu kochen. In solchen Momenten kann es hilfreich sein, bereits vorgekochte Mahlzeiten bereitzuhalten oder schnelle, gesunde Alternativen griffbereit zu haben. Auch beim Essen außerhalb können wir bewusste Entscheidungen treffen, wie Wasser statt Alkohol, eine Extra-Portion Gemüse oder ein gesundes Dessert. Selbst wenn die Optionen begrenzt sind, gibt es immer Alternativen, die zumindest etwas gesünder sind, oder wir können kleine Anpassungen vornehmen. Es sind die vielen kleinen Entscheidungen, die zählen.
Rückschläge gehören dazu
Der Umgang mit Rückschlägen ist ein weiterer Aspekt für eine erfolgreiche Ernährungsumstellung. Auch wenn wir gut vorbereitet sind, ist es wichtig zu erkennen, dass Erfolg und Veränderung keine geradlinigen Prozesse sind. Es ist normal, gelegentlich ungünstige Essenentscheidungen zu treffen oder in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Diese Rückschläge sollten nicht als Scheitern betrachtet werden.
Wir sind keine perfekten Maschinen, sondern Menschen. Es ist wichtig, diese Rückschläge als Teil des Prozesses zu akzeptieren und sich nicht zu sehr entmutigen zu lassen. Vielmehr bieten sie eine Gelegenheit zur Reflexion und zum Lernen, um Strategien anzupassen und zu verbessern. Es geht nicht um Perfektion, sondern darum, kontinuierlich an Zielen zu arbeiten und die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.
Das Identifizieren von Auslösern oder Situationen, die Fortschritte behindern, hilft bei der zukünftigen Vermeidung. Geduld und Nachsichtigkeit mit sich selbst sind wichtige Eigenschaften. Ernährungsgewohnheiten sind meist tief verwurzelt uns sehr persönlich und Veränderungen braucht Zeit. Perfektionismus hingegen ist kontraproduktiv und führt oft zur Unzufriedenheit und dem Rückfall in alte Gewohnheiten.
Es kann hilfreich sein, Unterstützung im Umfeld zu suchen. Mit Freunden, Familie oder einem Ernährungsexperten über Herausforderungen zu sprechen, hilft dabei, die Situation realistisch einzuschätzen. Gemeinsam können Strategien entwickelt werden, um mit Rückschlägen umzugehen und den Weg zur erfolgreichen Ernährungsumstellung fortzusetzen.
Für eine ernsthafte und langfristige Änderung seiner Ernährungsgewohnheiten ist wichtig zu verstehen, nach welchen Prinzipien das Gehirn arbeitet und wie es an Veränderung herangeht. Häufig bleiben die oben beschriebenen Erfolgsfaktoren jedoch unberücksichtigt beziehungsweise das Gegenteil wird umgesetzt. Dies ist in meinen Augen mit ein Grund für das klägliche Scheitern vieler Ernährungsumstellungen.
Für eine erfolgreiche Änderung von Ernährungsgewohnheiten bedarf es vielmehr einiger grundsätzlichen Überlegungen im Vorfeld sowie einer flexiblen Anpassung während des Prozesses. Dieser Ansatz bedeutet in vielen Fällen ein grundlegendes Umdenken. In diesem Sinne zum Abschluss folgendes Zitat: „Du kannst nicht immer das gleiche tun und ein anderes Ergebnis erwarten.“ (Albert Einstein)
Abbildung: Inna – stock.adobe.com
Quelle: shape UP 5/2023