Ich habe Rücken

Seit Horst Schläm­mer ali­as Hape Ker­ke­ling die­sen Satz berühmt gemacht hat, sind schon ein paar Jah­re ver­gan­gen. Ein aktu­el­ler Heil­mit­tel­re­port der Kran­ken­kas­se AOK zeigt, dass Rücken­schmer­zen wei­ter­hin hoch­ak­tu­ell sind und auch einer der häu­figs­ten Grün­de für Krank­schrei­bun­gen am Arbeits­platz dar­stel­len.​

Etwa 85 Pro­zent der Bevöl­ke­rung haben min­des­tens ein­mal im Leben Schmer­zen im Bereich der Len­den­wir­bel­säu­le. Für den aktu­el­len Heil­mit­tel­be­richt des Wis­sen­schaft­li­chen Insti­tuts der AOK (WIdO) wur­den cir­ka 42 Mil­lio­nen Heil­mit­tel­leis­tun­gen aus­ge­wer­tet, die 2018 zu Las­ten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung abge­rech­net wur­den; 15,4 Mil­lio­nen davon für Ver­si­cher­te der AOK. Zu den Heil­mit­tel­leis­tun­gen zählt man Phy­sio­the­ra­pie, Ergo­the­ra­pie, Logo­pä­die und Podo­lo­gie. Die Ergeb­nis­se zei­gen, dass mehr als jeder sechs­te AOK-Ver­si­cher­te wegen chro­ni­scher unspe­zi­fi­scher Rücken­schmer­zen in ärzt­li­cher Behand­lung war; Frau­en waren häu­fi­ger betrof­fen als Män­ner.

Spe­zi­fisch oder unspe­zi­fisch? Akut oder chro­nisch?

Von 100 Men­schen mit Rücken­schmer­zen lei­den etwa 85 bis 90 unter soge­nann­ten unspe­zi­fi­schen Schmer­zen. Unspe­zi­fisch bedeu­tet, dass kei­ne defi­ni­ti­ve Ursa­che für die Beschwer­den gefun­den wer­den kann. Es gibt also kei­ne Infek­ti­on, kei­nen Kno­chen­bruch (Frak­tur), kei­nen Tumor oder ähn­li­ches, der die Sym­pto­me plau­si­bel erklä­ren kann. Die Schmer­zen sind natür­lich trotz­dem real und kön­nen Betrof­fe­ne mas­siv in ihrem All­tag ein­schrän­ken, sind aber grund­sätz­lich gut­ar­tig und somit harm­los. In der Regel ver­schwin­den Rücken­schmer­zen spä­tes­tens nach sechs Wochen wie­der von selbst oder neh­men zumin­dest deut­lich ab.

Ursa­chen und Sym­pto­me

Meis­tens sind die Ursa­chen für Kreuz­schmer­zen harm­los, so kön­nen zum Bei­spiel ver­spann­te Mus­ku­la­tur, Stress, Bewe­gungs­man­gel, eine ein­sei­ti­ge Kör­per­hal­tung (zum Bei­spiel lan­ges Sit­zen) und Über­ge­wicht Schmer­zen ver­ur­sa­chen. Ein sehr wich­ti­ger Fak­tor ist auch die psy­cho­so­zia­le Gesund­heit: Besteht zum Bei­spiel Unzu­frie­den­heit am Arbeits­platz, sind Arbeit­neh­mer dem Mob­bing aus­ge­setzt oder lei­det jemand unter Ängs­ten oder Depres­sio­nen, hat das einen nicht zu unter­schät­zen­den Ein­fluss auf die kör­per­li­che Gesund­heit. Ein sehr wich­ti­ger Fak­tor ist die psy­cho­so­zia­le Gesund­heit.

Übli­cher­wei­se haben Betrof­fe­ne Schmer­zen im Bereich zwi­schen dem unte­ren Rip­pen­bo­gen bis hin zum Gesäß, es kön­nen auch aus­strah­len­de Schmer­zen in die Bei­ne bestehen. Sind die Ner­ven irri­tiert, die aus dem Rücken­mark aus­tre­ten und in die Bei­ne füh­ren, kann es dort auch zu Miss­emp­fin­dun­gen (soge­nann­ten Par­äs­the­sien) oder zu einer Kraft­min­de­rung der Mus­ku­la­tur kom­men. Dies kann zum Bei­spiel auf einen Band­schei­ben­vor­fall zurück­zu­füh­ren sein. Die­sen wür­de man dann zu den spe­zi­fi­schen Schmerz­ur­sa­chen zäh­len. Die Sym­pto­me soll­ten ärzt­li­cher­seits kon­trol­liert wer­den, bei einer deut­li­chen Ver­schlech­te­rung oder aus­blei­ben­den Wir­kung der kon­ser­va­ti­ven The­ra­pie kann im Ein­zel­fall auch eine OP in Betracht gezo­gen wer­den. Hier soll­ten Betrof­fe­ne aber zurück­hal­tend sein und unbe­dingt eine Zweit­mei­nung ein­ho­len, da Ope­ra­tio­nen nicht immer den gewünsch­ten Erfolg brin­gen.

Hand­lungs­be­darf

Bei aku­ten Beschwer­den ist das Wich­tigs­te, in Bewe­gung zu blei­ben, den nor­ma­len Akti­vi­tä­ten des All­tags so gut als mög­lich wei­ter nach­zu­ge­hen, bei Bedarf mit Wär­me und Schmerz­mit­teln zu arbei­ten (maxi­mal drei Tage) und sich nicht zu vie­le Sor­gen zu machen – die meis­ten Rücken­schmer­zen sind gut­ar­tig und gehen von selbst wie­der weg. Eine spe­zi­el­le Bewe­gungs­the­ra­pie ist bei aku­ten Schmer­zen nicht unbe­dingt erfor­der­lich. Von Bett­ru­he wird unbe­dingt abge­ra­ten, sie ist eher hin­der­lich für die Gene­sung und birgt Risi­ken wie zum Bei­spiel eine Throm­bo­se. Die Natio­na­le Ver­sor­gungs­leit­li­nie Kreuz­schmer­zen infor­miert kos­ten­los, ver­ständ­lich und umfas­send über die Pro­ble­ma­tik und ist sehr zu emp­feh­len.

Für Pati­en­ten mit chro­ni­schen Rücken­schmer­zen hat der gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss Ende 2019 auf Grund­la­ge aktu­el­ler wis­sen­schaft­li­cher Stu­di­en Emp­feh­lun­gen for­mu­liert: So sol­len Betrof­fe­ne bei Bedarf Lebens­stil­ver­än­de­run­gen vor­neh­men. Mehr kör­per­li­che Akti­vi­tät, Phy­sio­the­ra­pie, Psy­cho­the­ra­pie, psy­cho­so­ma­ti­sche The­ra­pie und Ent­span­nungs­ver­fah­ren wer­den emp­foh­len. Zudem sind Mus­kel­kräf­ti­gung und eine adäqua­te medi­ka­men­tö­se Behand­lung die wich­ti­gen Bau­stei­ne der Behand­lung. Bei Bedarf kann auch eine teil­sta­tio­nä­re oder sta­tio­nä­re Schmerz­the­ra­pie ver­ord­net wer­den.

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