Je älter des­to wich­ti­ger: Kraft­trai­ning

Das mensch­li­che Altern ist ein kom­ple­xer bio­lo­gi­scher Pro­zess, der umfang­rei­che Ver­än­de­run­gen im gesam­ten Kör­per bewirkt. Mus­kel­schwund ist nur eine Fol­ge die­ses natür­li­chen Alte­rungs­pro­zes­ses und geht unter ande­rem auf eine gestör­te Inner­vie­rung, also Anre­gung bzw. Rei­zung von Gewe­be und Orga­nen zurück.

Mit zuneh­men­dem Alter ent­ste­hen ver­mehrt zel­lu­lä­re Defek­te, wel­che eine Ent­kopp­lung zwi­schen dem Mus­kel­reiz und der tat­säch­li­chen Ske­lett­mus­kel­be­we­gung bewir­ken. Je nach Aus­prä­gungs­grad kann es dadurch zu erheb­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen der bis­her regu­lär durch­ge­führ­ten Mus­kel­ak­ti­vi­tä­ten kom­men. Auf­hal­ten lässt sich die­ser Pro­zess nicht, jedoch erheb­lich ver­lang­sa­men. Im Fol­gen­den wer­den die genau­en Ursa­chen und Sym­pto­me des Mus­kel­schwun­des im Alter, dadurch ent­ste­hen­de Gefah­ren und viel­ver­spre­chen­de The­ra­pie­an­sät­ze näher beleuch­tet.

Mus­kel­schwund im Alter

Das Mus­kel­ge­we­be bei Erwach­se­nen kann sich im Regel­fall schnell und effi­zi­ent auf ver­schie­de­ne kör­per­li­che Belas­tun­gen ein­stel­len. Mit ihren faser­spe­zi­fi­schen Stamm­zel­len zäh­len Mus­kel­zel­len dabei zu den rege­ne­ra­tivs­ten Gewe­be­ty­pen im mensch­li­chen Kör­per. Kommt es zu einer mecha­ni­schen Schä­di­gung einer Ske­lett­mus­kel­fa­ser, bei­spiels­wei­se durch eine Zer­rung, erfolgt durch ein rasches Nach­wach­sen bzw. eine Ver­meh­rung gesun­der Zel­len eine schnel­le und wirk­sa­me Rege­ne­ra­ti­on des betrof­fe­nen neu­ro­mus­ku­lä­ren Sys­tems.

Im Rah­men der natür­li­chen Alte­rungs­pro­zes­se im Kör­per kommt es jedoch gene­rell zu einer ver­min­der­ten Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit und dar­aus resul­tie­rend auch zu einer Abnah­me der Gewe­be­mas­se und einer ver­min­der­ten Kraft­ent­wick­lung im betref­fen­den Mus­kel. Mus­kel­schwund im Alter wird auch als Sar­ko­pe­nie bezeich­net und umfasst die Gesamt­heit der alters­be­ding­ten zel­lu­lä­ren und mole­ku­la­ren Ver­än­de­run­gen im neu­ro­mus­ku­lä­ren Sys­tem. Die­se Pro­zes­se haben oft­mals eine erheb­li­che Abnah­me der Gewe­be­mas­se und der Kraft­ent­wick­lung in der Ske­lett­mus­ku­la­tur zur Fol­ge und füh­ren letzt­lich zu einer ver­min­der­ten Mobi­li­tät und Lebens­qua­li­tät.

Ursa­chen von Mus­kel­schwund

Die Ursa­chen des Mus­kel­schwun­des im Alter und dem alters­be­ding­ten Ver­lust von Mus­kel­ge­we­be und Mus­kel­kraft sind neben der ver­min­der­ten Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit auch auf eine Umwand­lung der Mus­kel­fa­sern zurück­zu­füh­ren. Im mensch­li­chen Kör­per gibt es ver­schie­de­ne Ske­lett­mus­kel­fa­ser­ty­pen: Lang­sam zucken­de ST-Fasern (Typ 1) sind sozu­sa­gen Aus­dau­er­mus­keln, wel­che eine mitt­le­re Kraft über einen län­ge­ren Zeit­raum zur Ver­fü­gung stel­len, wohin­ge­gen schnell zucken­de FT-Fasern (Typ 2) für die Schnell­kraft ver­ant­wort­lich sind.

Das Ver­hält­nis zwi­schen Typ 1 und Typ 2‑Fasern ist bei jedem Men­schen unter­schied­lich. In Sport­ler­krei­sen heißt es immer: Sprin­ter wer­den gebo­ren, da sich zwar schnell zucken­de Fasern in lang­sa­me umwan­deln kön­nen, umge­kehrt funk­tio­niert die­ser Pro­zess jedoch nicht.

Die schnel­len Mus­kel­fa­sern bedür­fen eines regel­mä­ßi­gen Trai­nings und sind bei Unter­be­an­spru­chung anfäl­li­ger für Abschwä­chung und Ver­küm­me­rung als die lang­sa­men Fasern. Dadurch kommt es beim natür­li­chen Alte­rungs­pro­zess vor­ran­gig zu einer Abnah­me von schnel­len Typ 2‑Muskelfasern. Das gesam­te Ske­lett­mus­kel­sys­tem wan­delt sich mehr und mehr zu einer Typ 1‑Faserstruktur, was sich in einer ins­ge­samt lang­sa­mer kon­tra­hie­ren­den Ske­lett­mus­ku­la­tur abzeich­net.

Man kann davon aus­ge­hen, dass bereits eine im Erwach­se­nen­al­ter andau­ern­de Unter­for­de­rung der Ske­lett­mus­ku­la­tur zu einer Ver­küm­me­rung der schnel­len Ske­lett­mus­ku­la­tur führt, was wie­der­um den Grund­stock für einen spä­te­ren Mus­kel­schwund im Alter bil­det.

Der Anstieg an extra­zel­lu­lä­ren Col­la­gen­fi­bril­len ist eben­falls als eine Fol­ge des natür­li­chen Alte­rungs­pro­zes­ses und eine der Ursa­chen des Mus­kel­schwun­des im Alter anzu­se­hen. Im altern­den Mus­kel hat die­se Ver­än­de­rung eine zuneh­men­de Gewe­be­ver­nar­bung zur Fol­ge und spielt damit eine ent­schei­den­de Rol­le beim Ver­lust der Elas­ti­zi­tät von Mus­kel­fa­ser­bün­deln im fort­ge­schrit­te­nen Alter. Schrei­tet der Mus­kel­schwund im Alter bei Män­nern und Frau­en fort, kann dies zu Gebrech­lich­keit und erheb­li­chen funk­tio­nel­len Ein­schrän­kun­gen füh­ren.

Das Mus­kel­schwund-Alter beginnt in den meis­ten Fäl­len bei den über 70jährigen. Wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen zei­gen, dass bis zu 50 Pro­zent der über 75jährigen Sym­pto­me des Mus­kel­schwun­des im Alter zei­gen und von teil­wei­se star­kem Mus­kel­ab­bau betrof­fen sind. Es zeigt sich dabei, dass Mus­kel­schwund im Alter bei Män­nern nicht häu­fi­ger vor­kommt als Mus­kel­schwund im Alter bei Frau­en.
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Sar­ko­pe­nie (Fach­ter­mi­nus für über­mä­ßi­gen Mus­kel­schwund) gehört zu den­je­ni­gen Beein­träch­ti­gun­gen im Alter, die Mobi­li­tät und Lebens­qua­li­tät erheb­lich beein­flus­sen kön­nen. Durch eine fort­schrei­tend ver­min­der­te kör­per­li­che Akti­vi­tät ver­lie­ren Betrof­fe­ne das Ver­trau­en in die eige­ne Bewe­gungs- und Leis­tungs­fä­hig­keit. Häu­fi­ge Stür­ze, Ver­let­zun­gen, damit ein­her­ge­hen­de Schon­hal­tung und wei­te­re Bewe­gungs­ein­schrän­kung ver­stär­ken die Pro­ble­ma­tik noch.

Hin­zu kom­men Gefäß­ver­än­de­run­gen wie Throm­bo­sen, die durch feh­len­de kör­per­li­che Bewe­gung begüns­tigt wer­den. Gera­de die Abnah­me der moto­ri­schen Funk­tio­nen und der Ver­lust der Mobi­li­tät füh­ren zu einer gene­rel­len alters­be­ding­ten Schwä­chung und oft­mals auch Gewichts­ab­nah­me. Hier set­zen ver­schie­de­ne The­ra­pie­an­sät­ze an, die eine Ver­bes­se­rung des hoch­kom­ple­xen Ver­än­de­rungs­pro­zes­ses ver­spre­chen. Es las­sen sich dabei in Abhän­gig­keit der The­ra­pie gro­ße Unter­schie­de in Bezug auf Beginn, Ver­lauf und Schwe­re des Mus­kel­ab­baus bezie­hungs­wei­se des natür­li­chen Alterns im All­ge­mei­nen beob­ach­ten.

Dia­gno­se und The­ra­pie­an­sät­ze

Der alters­be­ding­te Kraft­ver­lust ist ein kom­ple­xer Pro­zess von Ver­än­de­run­gen in ver­schie­de­nen phy­sio­lo­gi­schen Regu­la­ti­ons­sys­te­men und bio­en­er­ge­ti­schen Pro­zes­sen. Es las­sen sich dabei kei­ne Unter­schie­de im Auf­tre­ten von Mus­kel­schwund im Alter bei Frau­en und Män­nern beob­ach­ten. Zur Bestim­mung des Schwe­re­gra­des der Sar­ko­pe­nie wird in der kli­ni­schen Pra­xis die Gang­ge­schwin­dig­keit von Betrof­fe­nen gemes­sen. Wei­ter­hin von Inter­es­se sind im Blut­se­rum oder Urin auf­tre­ten­de Mus­kel­pro­te­ine oder Pro­te­in­frag­men­te. Die­se Tests haben den Vor­teil, dass der Nach­weis sol­cher Bio­mo­le­kü­le rela­tiv ein­fach und mini­mal inva­siv erfol­gen kann.
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Im Gegen­satz dazu ist die Eva­lu­ie­rung von aus­schließ­lich mus­kel-asso­zi­ier­ten Ver­än­de­run­gen kom­pli­zier­ter und nur mit­hil­fe einer Biop­sie mög­lich. Die wis­sen­schaft­li­che For­schung benö­tigt die­se Unter­su­chun­gen jedoch, um die Aus­wir­kung von medi­ka­men­tö­sen The­ra­pien, neu­en Trai­nings­maß­nah­men oder auch einer ver­än­der­ten Ernäh­rungs­wei­se auf die Ver­rin­ge­rung der alters­be­ding­ten Mus­kel­schwä­che objek­tiv beob­ach­ten und beur­tei­len zu kön­nen.

Die­se Ansät­ze bie­ten jedoch allen­falls eine sinn­vol­le Unter­stüt­zung des wich­tigs­ten The­ra­pie­an­sat­zes: der Bewe­gung. Ein trai­nings­be­ding­ter Mus­kel­auf­bau und eine stu­fen­wei­se Stei­ge­rung der intra­mus­ku­lä­ren Koor­di­na­ti­on sind gene­rell als wich­tigs­te Fak­to­ren für die Gesund­heits­för­de­rung bei älte­ren Men­schen anzu­se­hen. Sol­che Trai­nings­maß­nah­men kön­nen vor allem Aus­dau­er­sport­ar­ten sein, die in der Grup­pe betrie­ben nicht nur posi­ti­ve Trai­nings­ef­fek­te erzie­len, son­dern auch den sozia­len Zusam­men­halt för­dern und einer Ver­ein­sa­mung von älte­ren Men­schen ent­ge­gen­wir­ken.

Es kann mit klei­nen Schrit­ten begon­nen wer­den

Ein täg­li­cher regel­mä­ßi­ger Spa­zier­gang mit der Nach­ba­rin nach dem Mit­tag­essen, Was­ser­gym­nas­tik im Ver­ein oder Schwim­men. Auch mode­ra­tes Kraft­trai­ning an unter­stüt­zen­den Gerä­ten ist für vie­le älte­re Men­schen eine will­kom­me­ne Abwechs­lung. Wich­tig ist dabei, dass man eine Trai­nings­form für sich fin­det, die sich gut und regel­mä­ßig in den All­tag inte­grie­ren lässt.

Den klei­nen Schrit­ten soll­ten gro­ße fol­gen, um bis ins hohe Alter selbst­be­stimmt mobil zu blei­ben

Als alter­na­ti­ve Trai­nings­an­sät­ze las­sen sich hier die exter­ne Elek­tro­sti­mu­la­ti­ons­the­ra­pie und ein Vibra­ti­ons­trai­ning zum Mus­kel­auf­bau nen­nen. Eine geziel­te pro­te­in­rei­che Ernäh­rung, gege­be­nen­falls mit Anrei­che­rung bestimm­ter Ami­no­säu­ren und die Ver­wen­dung von kalo­rien­rei­cher Flüs­sig­nah­rung zur Ver­hin­de­rung von über­mä­ßi­gem Gewichts­ver­lust unter­stüt­zen dabei den Trai­nings­ef­fekt. Aber auch hier gilt: Der Genuss darf bei all dem nicht feh­len

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