Nicht auf die leich­te Schul­ter neh­men

Ein prä­ven­ti­ves Schul­ter­trai­ning soll­te kon­ti­nu­ier­lich durch­ge­führt wer­den, um die Funk­tio­na­li­tät und mus­ku­lä­re Siche­rung des Schul­ter­ge­lenks zu erhal­ten. Für den Brei­ten- und Frei­zeit­sport­ler sind all­ge­mei­ne Trai­nings­pro­gram­me aus­rei­chend. Für Leis­tungs­ath­le­ten und bei spe­zi­fi­schen Beschwer­den soll­te ein indi­vi­du­el­les Pro­gramm aus­ge­ar­bei­tet wer­den.

Die Schul­ter­mus­ku­la­tur nimmt eine zen­tra­le Rol­le für die Gelenk­si­che­rung und ‑füh­rung ein. Bei sämt­li­chen Wurf- und Rück­schlag­sport­ar­ten steht die Schul­ter im Zen­trum der Leis­tungs­fä­hig­keit, bei einer gan­zen Rei­he ande­rer Sport­ar­ten ist sie zumin­dest von erheb­li­cher Bedeu­tung für den Bewe­gungs­ab­lauf, wie bei­spiels­wei­se beim Pad­deln, Rudern, Klet­tern oder Gewicht­he­ben. Die häu­figs­ten Schul­ter­pro­ble­me des Sport­lers sind das Impinge­ment-Syn­drom, die Rota­to­ren­man­schet­ten­rup­tur, die SLAP-Läsi­on sowie das kom­ple­xe­re Beschwer­de­bild der Sport­ler­schul­ter. Alle die­se Pro­ble­me haben direkt oder indi­rekt mit­ein­an­der zu tun bezie­hungs­wei­se bau­en auf­ein­an­der auf.

Als Impinge­ment-Syn­drom bezeich­net man eine Kom­pres­si­on der Seh­ne des M. supra­spi­na­tus zwi­schen Ober­arm­kopf und Schul­ter­dach (Acro­mi­on), was zu schmerz­haf­ten Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen füh­ren kann. Die­ses Erklä­rungs­mo­dell wird seit eini­ger Zeit kri­tisch betrach­tet, da radio­lo­gi­sche Befun­de nur schwach mit der Sym­pto­ma­tik kor­re­lie­ren. Sprich: Ein per Bild­ge­bung nach­ge­wie­se­nes Impinge­ment muss nicht zwin­gend Beschwer­den ver­ur­sa­chen und Impinge­ment-typi­sche Beschwer­den tre­ten auch bei Per­so­nen ohne raido­lo­gi­schen Befund auf.

Eine wie­der­hol­te oder län­ger­fris­ti­ge Kom­pres­si­on des M. supra­spi­na­tus kann, genau­so wie eine chro­ni­sche Über­las­tung, zu einem Ein­riss des Mus­kels füh­ren (Rota­to­ren­man­schet­ten­rup­tur). Unter­su­chun­gen haben erge­ben, dass ein Groß­teil von Wurf­sport­lern min­des­tens Teil­rup­tu­ren der Rota­to­ren­man­schet­te auf­weist, unter Umstän­den sogar voll­stän­di­ge Rup­tu­ren ein­zel­ner Berei­che. Häu­fig ver­ur­sacht eine dege­ne­ra­tiv beding­te Rup­tur aller­dings nur wenig oder gar kei­ne Beschwer­den. Sie kann aber natür­lich sym­pto­ma­tisch wer­den und einen gan­zen Rat­ten­schwanz zusätz­li­cher Pro­ble­me nach sich zie­hen, vor allem Schmer­zen und Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen, je nach­dem, wel­cher Mus­kel betrof­fen ist. Kommt es zum Bei­spiel durch Geg­ner­kon­takt oder ein Trau­ma zu einem Ein­riss der Gelenk­lip­pe ver­stärkt sich die Sym­pto­ma­tik. Ein sol­cher Ein­riss wird als SLAP-Läsi­on bezeich­net. Die Abkür­zung beschreibt den Ver­lauf der Ver­let­zung: Einen Ein­riss des Supe­rio­ren Labrums von Ante­rior nach Pos­te­rior. Das gleich­zei­ti­ge Auf­tre­ten meh­re­rer die­ser Pro­ble­me wird als Sport­ler- oder Wer­fer­schul­ter bezeich­net. Dabei hat der Ath­let neben Schmer­zen und Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen das Gefühl, das Gelenk sei insta­bil und kön­ne aus­ku­geln (luxie­ren), was, je nach Aus­prä­gung, im Wett­kampf oder schon bei All­tags­be­we­gun­gen pas­sie­ren kann. Es gilt also einer­seits prä­ven­tiv gegen der­ar­ti­ge Pro­ble­me anzu­trai­nie­ren bezie­hungs­wei­se im Rah­men einer Reha­bi­li­ta­ti­on die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Schul­ter in Bezug auf Sta­bi­li­tät und Beweg­lich­keit wie­der­her­zu­stel­len.

Prä­ven­ti­on

Um Schul­ter­ver­let­zun­gen vor­zu­beu­gen und die Schul­ter bei oder nach Ver­let­zun­gen vor Fol­ge­schä­den zu bewah­ren, emp­fiehlt sich ein glo­ba­les Trai­ning der gesam­ten Schul­ter- und Schul­ter­gür­tel­mus­ku­la­tur. Die­ses Trai­ning soll­te sowohl Bewegungs‑, Sta­bi­li­sie­rungs- und Beweg­lich­keits­übun­gen beinhal­ten, immer abge­stimmt auf den aktu­el­len Sta­tus, die sport­li­che Belas­tung sowie das Ziel. Fol­gen­des ist dabei zu beach­ten:

Trai­ning der Rota­to­ren­man­schet­te
Kern- und Start­punkt soll­te ein Trai­ning der Rota­to­ren­man­schet­te sein. Dies lässt sich sehr gut zum Bei­spiel am Kabel­zug mit­tels iso­lier­ter Innen- und Außen­ro­ta­ti­on sowie Abduk­ti­on und Adduk­ti­on aus dem Stand durch­füh­ren. Liegt eine asym­pto­ma­ti­sche Rup­tur der Rotatorenmanschette(n) vor, kann und soll­te wei­ter trai­niert wer­den. Die aktu­el­len Leit­li­ni­en emp­feh­len in die­sem Fall, kei­ne Ope­ra­ti­on durch­zu­füh­ren.

Trai­ning der Schul­ter­blatt­mus­ku­la­tur
Ein zwei­ter wich­ti­ger Fak­tor ist das Trai­ning der Schul­ter­blatt­mus­ku­la­tur. Das beinhal­tet die Mus­keln, die direkt am Schul­ter­blatt ent­sprin­gen oder anset­zen und für des­sen Bewe­gung zustän­dig sind. Beson­ders von Bedeu­tung sind der M. ser­ra­tus ante­rior (Säge­mus­kel), der M. tra­pe­ci­us (Kapu­zen­mus­kel) sowie die bei­den Mm. rhom­bo­idei (Rau­ten­mus­keln). Alle drei Grup­pen las­sen sich sehr gut durch glo­ba­le Zug- und Druck­übun­gen trai­nie­ren, wie Bank­drü­cken, Pull-Overs, Rudern oder Arm- und Lat-Züge.

Berufs- und sport­art­spe­zi­fi­sche Übun­gen
Sind bei­de vor­ge­nann­ten Mus­kel­grup­pen gut trai­niert, kann man zu berufs- oder sport­art­spe­zi­fi­schen Bewe­gun­gen über­ge­hen. Die­se soll­te man zunächst nicht mit hohen Gewich­ten oder maxi­ma­ler Geschwin­dig­keit aus­füh­ren, son­dern die Inten­si­tät lang­sam stei­gern, ins­be­son­de­re wenn es sich um ein reha­bi­li­ta­ti­ves Trai­ning han­delt.

Return-to-Sport
Will man im Rah­men einer sport­li­chen Reha­bi­li­ta­ti­on fest­stel­len, ob eine Rück­kehr ins regu­lä­re Trai­ning und den Wett­kampf mög­lich ist, soll­te man auf die ent­spre­chen­den Assess­ments zurück­grei­fen. Für die Schul­ter emp­feh­len sich der Upper-Quar­ter-Y-Balan­ce-Test sowie der Clo­sed-Kine­tic-Chain-Upper-Extre­mi­ty-Sta­bi­li­ty-Test (CKCUES).

Prä­ven­ti­ons­pro­gram­me
Eine gute Trai­nings­richt­li­nie zur Vor­beu­gung und Behand­lung von Schul­ter­be­schwer­den, sowohl für Sport­ler als auch Nicht­sport­ler, ist das Pro­gramm „Thrower‘s Ten“ sowie des­sen Wei­ter­ent­wick­lung, das „Advan­ced Thrower‘s Ten“. Bei­de Pro­gram­me erfor­dern wenig Equip­ment.

Die Schul­ter ist ein kom­ple­xes, teils hoch belas­te­tes Gelenk, wel­ches ein sorg­sa­mes Trai­ning ver­langt. Nur so kön­nen chro­ni­sche Schmer­zen prä­ven­tiv ver­mie­den, und im Sport ihre vol­le Funk­ti­ons­fä­hig­keit aus­ge­nutzt wer­den.

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