Der Veganuary hat in diesem Jahr neue Rekorde gesprengt. Über eine halbe Million Menschen haben sich dazu entschlossen, sich im Januar einen Monat lang vegan zu ernähren, und mehr als 1.500 neue vegane Produkte wurden auf den Markt gebracht.
Der Veganuary ist eine internationale Organisation mit der Mission, eine globale Bewegung hin zu einer veganen und nachhaltigeren Ernährungsumstellung zu schaffen, und war diesen Januar nicht nur auf Social Media ein Thema, sondern zum Beispiel auch in Werbeprospekten oder in den Lautsprecherdurchsagen im Supermarkt. Kurzum: Eine rein pflanzliche Ernährung liegt voll im Trend. Auch ich habe mich im Januar – nun schon das dritte Jahr in Folge – komplett vegan ernährt. Als Sportlerin und Personal Trainerin stellte sich mir jedoch die Frage, ob sich eine pflanzliche Ernährung überhaupt für einen aktiven Lebensstil mit körperlicher Belastung eignet und den Körper optimal versorgen kann. Funktioniert plant based Fitness?
Vollwertig und gesund?
Menschen ernähren sich aus unterschiedlichen Gründen vegan und verzichten damit vollständig auf tierische Produkte wie Fleisch, Käse, Milch, Wurst oder Fisch. Knapp 50 % geben das Tierwohl als Hauptmotivation an und können oder wollen die industrielle Tierhaltung, Schlachthöfe und die damit einhergehende Umweltbelastung nicht tolerieren. Ein weiterer wichtiger Antrieb ist die eigene Gesundheit. Doch ist eine rein vegane Ernährung überhaupt vollwertig und gesund?
Wie zu jeder Ernährungsweise kann man auch für die pflanzlich-vegane Ernährung keine pauschale Aussage treffen. Eine bestimmte Ernährungsweise kann nicht automatisch als gesund angesehen werden. Fest steht, dass unverarbeitetes, frisches Obst und Gemüse der Gesundheit guttun, da sie voller sekundärer Pflanzenstoffe, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe stecken. Besteht eine vegane Ernährung hauptsächlich aus diesen Lebensmitteln – wie es auch die vegane Ernährungspyramide aufzeigt –, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich eine Ernährungsumstellung gesundheitsfördernd auswirkt. Ernährt man sich aber nur von Toastbrot, Nudeln mit Ketchup, Pommes und Chips – denn schließlich kann auch das alles vegan sein –, sieht es eher schlecht aus. Es kommt also auf die individuelle und gesundheitsorientierte Umsetzung an. Eine einfache Faustregel geben zum Beispiel Daniel Roth und Katrin Schäfer, die vor über zehn Jahren den Blog „beVegt“ ins Leben gerufen haben. Sie empfehlen „a Grain, a Green and a Bean“ für das perfekte vegane Gericht. Nach dieser Formel sollte darauf geachtet werden, dass Getreide oder ein stärkehaltiges Gemüse wie Reis, (grünes) Gemüse und Hülsenfrüchte täglich in ausreichender Menge zu sich genommen werden. So werde ein breites Spektrum an essenziellen Mikro- und Makronährstoffen abgedeckt und eine ausgewogene und gesunde Ernährung unterstützt. Mir stellt sich jedoch die Frage, ob diese grobe Richtlinie ausreicht, um sich auch als Sportlerin oder Sportler optimal zu versorgen.
Für Sportler geeignet?
Vegan-Expertin Cathrin Umlauf erklärt, dass die Grundvoraussetzung einer leistungsoptimierenden Ernährung prinzipiell darin besteht, sich mit der eigenen Ernährung als Pfeiler der Leistung auseinanderzusetzen – egal, ob vegan, vegetarisch oder omnivor. Die individuelle Ernährungsweise sei in Bezug auf die Performance mindestens genauso wichtig wie das Training und die Regeneration. „Wer sich nicht ausreichend und ausgewogen ernährt, hat mit Nachteilen und verminderter Leistungsfähigkeit zu rechnen.“ Sportler haben in der Regel einen erhöhten Energiebedarf durch ihre körperlichen Aktivitäten. Bewegung und Sport verbrennen Kalorien, die dem Körper wieder zugeführt werden müssen, um optimal regenerieren zu können. Cathrin Umlauf räumt ein, dass sich dann ein Nachteil aus der veganen Ernährung ergeben könnte, wenn überwiegend energiearme Lebensmittel wie Gemüse und Obst konsumiert werden.
Im Gegensatz zu tierischen Lebensmitteln weisen pflanzliche oftmals eine geringere Energiedichte auf. Bleibt man unter dem Energiebedarf, kann es dann zu einem Leistungsabfall kommen. Auf der anderen Seite betont Umlauf die vielen Vorteile der veganen Ernährung für Sportler. Sie profitieren von der hohen Mikronährstoffdichte wie Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen. Diese regulieren beispielsweise das Immunsystem und fördern die Regenerationsfähigkeit. So lassen sich auch die Nährstoffverluste nach schweißtreibenden Aktivitäten leicht wieder ausgleichen. Außerdem können Sportler auf genügend pflanzliche Quellen mit hohem Kohlenhydrat- und Proteinanteil zugreifen, um ihre jeweiligen Kraft- und Ausdauerziele zu erreichen. Im Gegensatz zu tierischen Proteinen ist hierbei vorteilhaft, dass Cholesterin, Purin oder gesättigte Fettsäuren kaum bis gar nicht vorhanden sind, was sich positiv auf die Gesundheit und Performance auswirken könne.
Eiweiße sind für aktive Menschen von besonderer Bedeutung. Sowohl Ausdauersportler als auch Kraftsportler haben einen erhöhten Bedarf an Proteinen, da die enthaltenen Aminosäuren der wichtigste Baustein aller Zellen, und somit auch der Muskelzellen, sind. Im Gegensatz zu den anderen Makronährstoffen Fette und Kohlenhydrate können Proteine nicht im Körper gespeichert werden, weshalb sie regelmäßig durch Nahrungsmittel aufgenommen werden müssen. Besonders die Zufuhr von essenziellen Aminosäuren, die der Körper nicht selbst bilden kann, sollte vor dem Hintergrund der Leistungsoptimierung im Auge behalten werden. Kann eine pflanzliche Ernährung im Vergleich zu einer omnivoren da mithalten? Schließlich ist es doch allgemein bekannt, dass vor allem in Milchprodukten und Fleisch eine Menge Eiweiß steckt. Umlauf erklärt: „Pflanzliches Protein enthält in der Gesamtheit alle essenziellen Aminosäuren, die für Sportler von Bedeutung sind. Es kann sein, dass ein Lebensmittel nicht alle auf einmal beinhaltet, weshalb verschiedene Proteinquellen herangezogen werden sollten.“ Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen oder Sojabohnen seien hier eine gute Wahl. Auch Getreide wie Hafer, Buchweizen und Quinoa enthalten eine Menge Eiweiß.
Muss man supplementieren?
Nahrungsergänzungsmittel sind voll im Trend! Ob man diese tatsächlich braucht, ist eine ganz andere Frage. Cathrin Umlauf warnt davor, einfach drauflos zu supplementieren, sondern mit dem Hausarzt zu besprechen, was und in welcher Dosis sinnvoll ist. Sie empfiehlt, einmal im Jahr die wichtigsten Werte durch eine Blutprobe überprüfen zu lassen. Was man als Veganer unbedingt supplementieren sollte, ist Vitamin B12, da dieses nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Aber auch „Allesfresser“ seien nicht vor einem B12-Mangel gefeit, der sich negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirken kann. Auch Vitamin D, Omega‑3, Selen, Jod und Kalzium seien sinnvolle Supplements – für alle Menschen, unabhängig von der Ernährungsweise. Dennoch seien Nahrungsergänzungsmittel nicht das erste, womit man sich beschäftigen sollte. Viel wichtiger sei die richtige Basis: Die Grundlage der Ernährung sollte aus unverarbeiteten Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Getreide bestehen und mit ausreichend Wasser ergänzt werden.
Die Frage, ob eine vegane Ernährung die beste Option als Sportler ist, lässt sich so pauschal also nicht beantworten. Es kommt – wie immer – auf die individuelle, gesundheits- und zielorientierte Umsetzung und die (sportart-)spezifischen Bedürfnisse an. Und nicht zuletzt auch darauf, inwieweit man dazu bereit ist, sich mit der Ernährung als Eckpfeiler der Leistungsfähigkeit auseinanderzusetzen. Was aber feststeht, ist, dass eine rein pflanzliche Ernährung alles bietet, was man als Hobbysportler oder Athlet benötigt, um den eigenen Körper optimal zu versorgen.
Abbildung: kurhan / shutterstock.com
Quelle: shape UP Fitness 4/2022