Sieg durch Ver­län­ge­rung

Unse­re Hüf­ten sind die Brü­cke zwi­schen Ober- und Unter­kör­per, sie ste­hen im Mit­tel­punkt vie­ler moto­ri­scher Funk­tio­nen. Es ist nach­ge­wie­sen, dass zahl­rei­che all­ge­mei­ne Gesund­heits­pro­ble­me dadurch ver­ur­sacht wer­den, dass die Hüft­beu­ger-Mus­ku­la­tur nicht genug gedehnt wird. 

Häu­fig trai­nie­ren und rich­tig ernäh­ren soll­te eigent­lich aus­rei­chen, um dich fit zu hal­ten. Gera­de beim Trai­nie­ren kann aber auch Nach­jus­tie­ren ange­sagt sein. Denn wir besit­zen Mus­keln, die übungs­tech­nisch oft ein Schat­ten­da­sein füh­ren und in schlech­tem Zustand nicht nur unse­ren Kör­per, son­dern unser gesam­tes Wohl­be­fin­den beein­träch­ti­gen kön­nen. Klas­si­sche Ver­tre­ter die­ser Gat­tung sind die soge­nann­ten Hüft­beu­ger. 

Unse­re Hüft­beu­ger hal­ten den Kör­per in Bewe­gung. Sie kon­trol­lie­ren das Gleich­ge­wicht und unse­re Fähig­keit, sit­zen, ste­hen, gehen, lau­fen, ren­nen, dre­hen, stre­cken, beu­gen oder bei Gefahr schnell reagie­ren zu kön­nen. Alles geht durch die Hüf­ten. Vie­le erken­nen jedoch nicht, dass zu lan­ge in ver­kürz­ter Hal­tung ver­har­ren­de Hüft­beu­ger die Ursa­che für ihre Gesund­heits­pro­ble­me sein könn­ten. Zu die­sen kön­nen etwa zäh­len: nagen­de Schmer­zen in den Bei­nen, im unte­ren Rücken oder in den Hüf­ten, Gehen mit Unbe­ha­gen, stei­fe Hüf­ten, schlech­te Hal­tung, Schwie­rig­kei­ten mit dem Schlaf, Bewe­gungs­un­lust, Träg­heit im All­tag, Angst­zu­stän­de, feh­len­de Ener­gie im Fit­ness­stu­dio oder beim Sport. 

Das „Beu­ge-Quar­tett“

For­mal gibt es vier Hüft­beu­ger: gro­ßer Len­den­mus­kel (M. psoas major), Darm­bein­mus­kel (M. ilia­cus), gera­der Ober­schen­kel­mus­kel (M. rec­tus femo­ris) und Ober­schen­kel­bin­den­span­ner (M. ten­sor fascia latae). Oft wird vom Hüft­beu­ger aber im Sin­gu­lar gespro­chen, gemeint ist dann meist der Len­den-Darm­bein­mus­kel (M. iliops­oas), der – nomen est omen – Len­den- und Darm­bein­mus­kel funk­tio­nell zusam­men­fasst. 

Im Hüft­ge­lenk bewirkt er des­sen Fle­xi­on und Innen- oder Außen­ro­ta­ti­on. Der gro­ße Len­den­mus­kel sitzt in der Tie­fe der Hüf­te und der unte­ren Wir­bel­säu­le. Er wird auf­grund der vie­len wich­ti­gen Funk­tio­nen, die er bei der Bewe­gung unse­res Kör­pers hat, oft als „mäch­ti­ger“ Psoas (aus­ge­spro­chen „so-az“) bezeich­net. Der Psoas „ver­knüpft“ Ober- und Unter­kör­per. An den Wir­beln der unte­ren Wir­bel­säu­le befes­tigt, bewegt er sich durch das Becken und ver­bin­det sich mit einer Seh­ne an der Spit­ze des Ober­schen­kel­kno­chens. Ein gut funk­tio­nie­ren­der Psoas erzeugt eine neu­tra­le Becken­aus­rich­tung, sta­bi­li­siert die Hüf­ten, stützt die unte­re Wir­bel­säu­le und den Bauch, stärkt die Orga­ne im Becken und in der Bauch­höh­le und för­dert Beweg­lich­keit und Kör­per­kraft. Wenn er gut funk­tio­niert, hilft er bei der Fett­ver­bren­nung, ver­bes­sert die sport­li­chen Leis­tun­gen und das Kraft­trai­ning, hebt das Ener­gie­ni­veau und wirkt sich posi­tiv auf die Schlaf­qua­li­tät aus. Kurz­um: Hüft­beu­ger sind von zen­tra­ler Bedeu­tung für das Funk­tio­nie­ren von Gesund­heit, Kör­per­hal­tung und Fort­be­we­gung. Eine aus­führ­li­che ana­to­mi­sche Ana­ly­se aller vier von ihnen soll an die­ser Stel­le aus­ge­spart blei­ben, viel­mehr soll es dar­um gehen, auf­zu­zei­gen, wie die Mus­keln in Form gehal­ten wer­den kön­nen.

Grund­pro­blem ist zu häu­fi­ges Sit­zen

Gera­de Men­schen, die jeden Tag stun­den­lang sit­zen, lei­den unter Pro­ble­men mit der Hüft­beu­ger-Mus­ku­la­tur. Doch nur weni­ge erken­nen die Aus­wir­kun­gen, die das dau­ern­de Her­um­ho­cken auf den gan­zen Kör­per hat. Noch­mal: Alles fließt durch die Hüf­ten. Sie hel­fen, die Kraft und die Gesund­heit des gesam­ten Kör­pers zu unter­stüt­zen. Ein Motor ihrer Funk­tio­na­li­tät ist der kraft­vol­le Psoas. Die­ser Hüft­beu­ger gilt man­chen Exper­ten zufol­ge als der stärks­te ursprüng­li­che Mus­kel des Kör­pers. Ihn und sei­ne „Ver­wand­ten“ gilt es daher spä­tes­tens beim Auf­kom­men von Beein­träch­ti­gun­gen im Trai­ning zu berück­sich­ti­gen. War­um ist zu lan­ges Sit­zen eigent­lich so fatal?

In der Sitz­po­si­ti­on sind die Hüft­beu­ger ver­kürzt, wenn sie könn­ten, wür­den sie ver­mut­lich „Ver­län­ge­rung“ rufen. In sit­zen­der Kör­per­hal­tung blei­ben die Mus­keln völ­lig unge­dehnt, sie befin­den sich so nicht sel­ten in ihrer ungüns­tigs­ten Posi­ti­on. Erst durchs Auf­ste­hen wer­den sie wie­der bean­sprucht und auf Län­ge gestreckt. Wer viel sitzt, sorgt somit unfrei­wil­lig für einen Zustand, der auf Dau­er dazu füh­ren kann, dass Mus­keln und das sie umge­ben­de Gewe­be (Fas­zi­en) unnach­gie­big wer­den und an Fle­xi­bi­li­tät ver­lie­ren. Die Fol­ge sind star­ke Ver­span­nun­gen, die Gelen­ke und Wir­bel belas­ten. Das kann lang­fris­tig sogar zu Band­schei­ben­vor­fäl­len oder Arthro­se füh­ren, min­des­tens aber zu Schmer­zen im Rücken, in der Hüf­te und im Knie. Ver­kürz­te Hüft­beu­ger kön­nen auch so stark an der Wir­bel­säu­le zie­hen, dass sich ein Hohl­kreuz bil­det. Was also tun? Ein pro­ba­tes Mit­tel, um Hüft­beu­ger wie­der auf Nor­mal­län­ge zu brin­gen, sind Dehn­übun­gen. Mit ihrer Unter­stüt­zung kön­nen sich ganz natür­lich Ver­span­nun­gen lösen, die Schmer­zen ver­ur­sa­chen.

Guter Ein­fall: Aus­fall 

Eine der tra­di­tio­nel­len Hüft­beu­ger-Dehn­übun­gen ist der Aus­fall­schritt (sie­he Abb.1). Schon in der ein­fa­chen Aus­füh­rung bringt er durch Hal­ten der Dehn­po­si­ti­on gute Effek­te. Dabei ist ein Bein vor­ne zu unge­fähr 90 Grad ange­win­kelt, das ande­re liegt hin­ter Becken und auf­ge­rich­te­tem Ober­kör­per auf dem Boden auf. Vari­ierst du die Übung durch Erhö­hung des Schwie­rig­keits­gra­des, steigt die Wirk­sam­keit. Dazu hebst du in der Aus­fall­schritt­po­si­ti­on (hier ange­nom­men: rech­tes Bein vor­ne, lin­kes Bein hin­ten) das hin­te­re Bein an, sodass das Knie nicht mehr in Boden­kon­takt ist, die­sen haben näm­lich nur noch die Zehen. Das hin­te­re Bein aktiv anspan­nen. Der Ober­kör­per ist nach wie vor gera­de auf­ge­rich­tet, dein Blick geht nach vor­ne. Nun berührst du mit der lin­ken Hand­flä­che den Boden. Dreh den Ober­kör­per nach rechts und stre­cke dei­nen rech­ten Arm senk­recht nach oben, dein Blick folgt dabei der aus­ge­streck­ten Hand. Hal­te die End­po­si­ti­on min­des­tens 15 Sekun­den und mache die Übung dann mit Vor­der­bein links, Hin­ter­bein rechts.

Bedarfs­fin­dung durch Selbst­tests

Es gibt ein­fa­che Mög­lich­kei­ten, zu über­prü­fen, ob du mit Dehn­übun­gen begin­nen soll­test. 

Test im Ste­hen 
Nimm auf gera­dem Unter­grund die auf­rech­te Stand­po­si­ti­on ein. Hebe dann ein Bein so weit Rich­tung Brust an dass ein 90-Grad-Win­kel über­schrit­ten wird. Wenn du das Bein 15 bis 20 Sekun­den in die­ser Posi­ti­on hal­ten kannst, ist alles okay, ansons­ten heißt’s: Deh­nen. 

Test im Lie­gen 
Das Gan­ze geht ähn­lich auch im Lie­gen – in Rücken­la­ge wird ein Bein so weit es geht an die Brust her­an­ge­zo­gen. Das ande­re Bein soll­te lang­ge­streckt auf dem Boden lie­gen blei­ben. Wenn es sich den­noch anhebt, sind Dehn­übun­gen ange­sagt. 

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Quel­le: shape UP Vita 3/2022