Wie atme ich rich­tig?

Um als Leis­tungs­sport­ler opti­ma­le Trai­nings­er­geb­nis­se zu erzie­len, ist es wich­tig, dem Kör­per nach Höchst­leis­tun­gen auch die not­wen­di­gen Rege­ne­ra­ti­ons­pha­sen zu gön­nen. Thors­ten Rib­be­cke, selbst lan­ge erfolg­rei­cher Leicht­ath­let und jetzt als Ath­le­tik­trai­ner tätig, hat sich inten­siv mit dem Zusam­men­hang von sport­li­cher Leis­tungs­fä­hig­keit und rich­ti­ger Erho­lung aus­ein­an­der­ge­setzt. Ein Punkt, den er in sei­nem Buch „Rege­ne­ra­ti­ons­stra­te­gien“ betrach­tet, ist die Atmung.

Im Sport macht man sich täg­lich Gedan­ken über Kraft­ent­fal­tung, Ener­gie­sys­te­me, Ernäh­rung, Trin­ken oder Schlaf, doch wird eine grund­le­gen­de Sache oft ver­nach­läs­sigt: die Atmung. Schaf­fen wir es jedoch nicht die Atmung zu nor­ma­li­sie­ren, wer­den wir auch Pro­ble­me mit Bewe­gungs­mus­tern bekom­men.

Die Atmung ist ein fun­da­men­ta­ler Vor­gang des Lebens, der sich cir­ca 16 Mal pro Minu­te und damit fast 24.000 Mal am Tag wie­der­holt. Sie ver­sorgt uns mit Lebens­en­er­gie durch Sauer­stoff. Atem­tech­ni­ken lie­fern die Grund­la­ge für vie­le Rege­ne­ra­ti­ons­stra­te­gien wie Medi­ta­ti­on, auto­ge­nes Trai­ning oder Yoga. Von einer rich­ti­gen Atem­tech­nik pro­fi­tiert nicht nur die Gesund­heit, son­dern auch die Leis­tungs­fä­hig­keit, die ihrer­seits wie­der­um eine Haupt­rol­le in der Rumpf­sta­bi­li­sa­ti­on, bei funk­tio­nel­len Bewe­gungs­ab­läu­fen oder bei der Ver­mei­dung von mus­ku­lä­ren Dys­ba­lan­cen spielt. Die­se posi­ti­ven Ein­flüs­se decken sich teil­wei­se mit den Beob­ach­tun­gen in der Medi­ta­ti­on.

So ist es kaum ver­wun­der­lich, dass Pro­ble­me in der Atem­tech­nik auch die Ursa­che für mus­ku­lä­re Beschwer­den dar­stel­len kön­nen. Die Atmung erzeugt neu­ro­mus­ku­los­keleta­le Reak­tio­nen und hat Ein­fluss auf das auto­no­me und das zen­tra­le Ner­ven­sys­tem. Damit beein­flusst sie auch das bio­me­cha­ni­sche, bio­che­mi­sche, psy­cho­lo­gi­sche und phy­sio­lo­gi­sche Sys­tem. Dies liegt unter ande­rem dar­an, dass die Mus­keln, die für die pos­tu­ra­le Sta­bi­li­sa­ti­on bzw. Kon­trol­le ver­ant­wort­lich sind, auch für die Atmung unter­schied­lich wich­ti­ge Rol­len spie­len. Dazu gehö­ren das Zwerch­fell, der Trans­ver­sus abdo­mi­nis sowie die becken­bo­den­um­fas­sen­den Mus­keln. Der Trans­ver­sus abdo­mi­nis wird in die­sem Zusam­men­hang als sekun­dä­rer Exspi­ra­ti­ons­mus­kel ange­se­hen. Der Mus­kel des Becken­bo­dens ist bei der Atmung nur indi­rekt betei­ligt und daher kein akti­ver Atem­mus­kel. Sowohl der Trans­ver­sus abdo­mi­nis als auch der Becken­bo­den wer­den durch die tie­fe abdo­mi­na­le Atmung exzen­trisch gedehnt und las­sen bei der Aus­at­mung los (Load-Explo­de-Prin­zip).

Die Atmung ist immer den phy­sio­lo­gi­schen, bio­me­cha­ni­schen und bio­che­mi­schen Umstän­den ange­passt. Für eine sport­li­che Akti­vi­tät ist die Brust­at­mung funk­tio­nell, für in Ruhe auf dem Rücken lie­gen und bequem atmen jedoch nicht!

Die Zwerch­fell­at­mung

Ein sehr kri­ti­scher Fak­tor, der ger­ne von vie­len Phy­sio­the­ra­peu­ten über­se­hen wird, ist das Zwerch­fell. Eine nor­ma­le Atmung im Ruhe­zu­stand wird auch als Zwerch­fell­at­mung (Dia­phrag­mal­at­mung) oder Bau­ch­at­mung (Abdo­mi­nal­at­mung) beschrie­ben. Das Zwerch­fell ist ein fla­cher Mus­kel, der Brust- sowie Bauch­höh­le von­ein­an­der trennt und damit ver­hin­dert, dass bei der Ein­at­mung nicht ein­fach Bau­ch­or­ga­ne durch den Unter­druck nach oben gesaugt wer­den. Ohne die Abtren­nung der Höh­len wür­de die Atmung nicht funk­tio­nie­ren.

Das Zwerch­fell ist zudem noch an der Atmung aktiv betei­ligt. Ähn­lich eines Kol­bens in einem Zylin­der bewegt sich das Zwerch­fell auf und ab. Durch sei­ne Abwärts­be­we­gung wird der „Inhalt“ der Bauch­höh­le kom­pri­miert. Das Volu­men der Bauch­höh­le wird somit ver­klei­nert und der Druck erhöht (sta­bi­li­sie­ren­de Funk­ti­on). Gleich­zei­tig dehnt sich die Brust­höh­le aus, das Volu­men wird somit grö­ßer, der Druck gerin­ger. Da nun der Druck der Außen­luft grö­ßer als der Druck in den Lun­gen ist, strömt Luft in die Lun­gen ein. Das Prin­zip hin­ter der Atmung ist rei­ne Phy­sik. Atem­mus­keln sor­gen nur für Volu­men- und Druck­ver­än­de­run­gen. Die Exspi­ra­ti­on dage­gen ist ein über­wie­gend pas­si­ver Mecha­nis­mus. In der Aus­at­mung erfolgt eine Auf­wärts­be­we­gung. Hier­bei erschlafft das Zwerch­fell und wird durch die Ein­ge­wei­de, ver­stärkt durch den Druck der Bauch­mus­keln, wie­der nach oben gescho­ben. Bei einer ruhi­gen Ein­at­mung über­nimmt das Zwerch­fell den Groß­teil der Atmung und in Tei­len die Inter­kost­al­mus­ku­la­tur sowie die schrä­ge Bauch­mus­ku­la­tur.

Eine Balan­ce zwi­schen den Mus­keln für die Atmung und die pos­tu­ra­le (Rumpf) Sta­bi­li­sa­ti­on bzw. ‑kon­trol­le zu fin­den, ist eine gro­ße Her­aus­for­de­rung. Oft sind Atmungs­pro­ble­me gekop­pelt mit Rücken­schmer­zen. Eine gestör­te Atmung kann durch­aus Ver­span­nun­gen im Bereich des Schul­ter- und Nacken­be­rei­ches her­vor­ru­fen. Die­se Ver­span­nun­gen machen den Ober­kör­per­be­reich rund um die Brust­wir­bel­säu­le (BWS) unbe­weg­li­cher. Wenn die BWS in ihrer Beweg­lich­keit ver­rin­gert ist, ist das Rota­ti­ons­ver­hal­ten im Ober­kör­per gestört. Kann die BWS nicht mehr rich­tig rotie­ren, ver­sucht die Len­den­wir­bel­säu­le (LWS) dies aus­zu­glei­chen. Da die­se jedoch nicht für die Rota­ti­on aus­ge­legt ist, kommt es auf­grund der unna­tür­li­chen Bewe­gung zu Schmer­zen in der LWS. Dar­un­ter lei­den nicht nur nor­ma­le Men­schen, son­dern auch Leis­tungs­sport­ler.

Wie atmet man opti­mal?

Im Trai­ning wird oft der Rat gege­ben, in die Belas­tung (bei der Über­win­dung des Wider­stan­des aus­zu­at­men) und beim Nach­ge­ben ein­zu­at­men. Dies gilt jedoch nur für den Gesund­heits­sport­ler mit Blut­hoch­druck und muss daher nicht die Regel sein. In eini­gen Yoga­tech­ni­ken wird das Ein- und Aus­at­men in der Belas­tung genau umge­kehrt prak­ti­ziert. Beim Kett­le­bell-Swing wird die Luft beim Aus­schwin­gen her­aus­ge­presst, also lang­sam und „zischend“ durch die Zäh­ne. Dadurch kann die Span­nung in der Bauch­mus­ku­la­tur bes­ser gehal­ten wer­den. In man­chen Limit-Situa­tio­nen, wenn zum Bei­spiel im Bereich der Maxi­mal­kraft mit sehr hohen Gewich­ten trai­niert wird, kommt es oft zu einer Press­at­mung (Val­sal­va-Metho­de). Die­se kann auch den Rumpf sta­bi­li­sie­ren, erhöht jedoch den Blut­druck sehr stark. In der Medi­zin wen­det man die Val­sal­va-Metho­de zur Über­prü­fung des Baro­re­zep­to­ren­re­fle­xes oder zur Belüf­tung des Mit­tel­ohrs an.Je höher die kar­dio­vasku­lä­re Belas­tung, umso schwie­ri­ger wird es, eine Nasen­at­mung auf­recht­zu­er­hal­ten. Ein schnel­le­res Atmen, auch durch den Mund, lässt sich dann kaum mehr ver­hin­dern. Im Aus­dau­er­trai­ning wird die Atmung dann oft an Bewe­gungs­rhyth­mus und –geschwin­dig­keit gekop­pelt, wäh­rend sich der Atem­rhyth­mus im Kraft­trai­ning bei inten­si­ven und eher lang­sa­men Bewe­gun­gen nicht mit Rhyth­mik und Geschwin­dig­keit deckt.

Nasen­at­mung

In der Rege­ne­ra­ti­on hin­ge­gen exis­tiert die­se Pro­ble­ma­tik nicht. Hier wird eine Nasen­at­mung favo­ri­siert. Atmen wir nicht durch den Mund, son­dern durch die Nase, fällt es schwe­rer, Luft zu holen. Als Ergeb­nis befin­det sich mehr CO2 in den Lun­gen und damit auto­ma­tisch auch im Blut und im Gewe­be. Das Atem­zen­trum passt sich die­sen höhe­ren CO2–Konzentrationen an. Grund­sätz­lich wird das Atmen nach dem Trai­ning leich­ter fal­len und es gelangt mehr Sauer­stoff in den Kör­per. Ein zusätz­lich zu beach­ten­der Effekt der Atmung durch die Nase hängt mit dem Stick­stoff­mon­oxid (NO, Nitric Oxi­de) zusam­men. NO wird in der Nasen­pas­sa­ge pro­du­ziert und hat sehr posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf das Atmungs­sys­tem. Es wei­tet die Blut­ge­fä­ße, model­liert das Immun­sys­tem und nor­ma­li­siert die Über­tra­gung der Ner­ven­si­gna­le. Atmen wir durch den Mund, steht uns die­ses NO nicht zur Ver­fü­gung. Dies nutzt zum Bei­spiel die „Feu­er­at­mung“ beim Yoga. Hier wird durch die Nase schnell ein­ge­at­met und durch den Mund aus­ge­at­met.

Atmungs­test

Wie kann man nun im nor­ma­len All­tag fest­stel­len, ob man nicht opti­mal atmet? Nach­fol­gend eini­ge Fra­gen zum Selbst­tes­ten. Wer­den eini­ge Fra­gen mit ja beant­wor­tet, so soll­te man sei­ne Atmung ver­bes­sern.

Atmet man wäh­rend der all­täg­li­chen Akti­vi­tä­ten manch­mal durch den Mund?
Atmet man wäh­rend des Schla­fes durch den Mund? Wenn man sich nicht sicher ist, über­prüft man, ob man mit tro­cke­nem Mund mor­gens auf­wacht.
Schnarcht man oder hält die Luft wäh­rend des Schla­fes an?
Wie schwer atmet man, wäh­rend man sich aus­ruht? Wie sehr heben sich Brust und Bauch beim Atmen an?
Ist die Atmung wäh­rend des Aus­ru­hens hör­bar?
Beob­ach­tet man mehr Brust- als Bauch­be­we­gung beim Atmen?
Seufzt man regel­mä­ßig am Tag? Regel­mä­ßi­ges Seuf­zen ist ein Merk­mal von chro­ni­schem Über­at­men.
Macht man im All­tag die Erfah­rung von nasa­ler Über­las­tung, Ver­en­gung der Atem­we­ge, Erschöp­fung, Schwin­del­an­fäl­le oder Benom­men­heit?

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