Wie fabel­haft ist Sel­le­rie­saft?

Etli­che Pro­mi­nen­te schlür­fen mit Begeis­te­rung Sel­le­rie­saft. An des­sen Geschmack liegt das ver­mut­lich eher nicht. Spe­zi­ell auf Insta­gram über­schla­gen sich die Lobes­hym­nen auf die gesund­heit­li­chen Wir­kun­gen den neu ent­deck­ten Power-Drinks. Was ist dran an dem Hype?​

Wie fabelhaft ist Selleriesaft? / Abbildung: Lonspera / shutterstock.com

Trend mit Heil­an­spruch

Als Grün­der des Sel­le­rie­trends ist recht leicht der US-Ame­ri­ka­ner Antho­ny Wil­liam aus­zu­ma­chen. Sei­ne Bücher über „Media­le Medi­zin“ sind Best­sel­ler, obwohl sie nicht im Ein­klang mit wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen ste­hen. „Media­le Medi­zin“, des­halb, weil Wil­liam sich selbst als medi­zi­ni­sches Medi­um bezeich­net. Ein Medi­um ist ein Mensch, der von sich behaup­tet, mit der spi­ri­tu­el­len Welt kom­mu­ni­zie­ren zu kön­nen. Bei Wil­liam mün­det die­se „Gabe“ offen­sicht­lich dar­in, Krank­hei­ten hei­len zu kön­nen. Das kann man glau­ben oder eben auch nicht. Fest steht, dass er über andert­halb Mil­lio­nen Insta­gram-Fol­lower hat – somit könn­te an sei­nen Geschich­ten ja durch­aus etwas dran sein. In den USA haben sich die Sel­le­rie­ver­käu­fe zur Ende letz­ten und zu Beginn die­ses Jah­res jeden­falls ver­fünf­facht. Pro­mi­nen­te Unter­stüt­zung hat Wil­liam auch. Stars wie Phar­rell Wil­liams, Gwy­neth Palt­row, Robert de Niro, Nao­mi Camp­bell oder Syl­ves­ter Stal­lo­ne emp­feh­len auf­grund eige­ner posi­ti­ver Erfah­run­gen ihn und sein Kon­zept.

Was steckt hin­ter dem Sel­le­rie­saft-Boom?

Gegen die von Wil­liam pro­pa­gier­te Ernäh­rung mit viel fri­schem Gemü­se und Obst ist zumin­dest vor­der­grün­dig nicht ein­zu­wen­den – wirk­lich revo­lu­tio­när ist die Idee indes­sen nicht. Etwas ver­fäng­li­cher ist dage­gen sei­ne War­nung vor fast allem ande­ren. Wil­liam glaubt, dass vie­le Fet­te oder Pro­te­ine – vor allem in wei­ter­ver­ar­bei­te­ten Pro­duk­ten –unge­sund sind. Sei­ne Rezep­te sind somit vegan und ent­hal­ten kein Glu­ten sowie kei­ne Getrei­de- oder Soja­pro­duk­te. Spe­zi­ell sei­ne Erklä­run­gen, war­um wir die Fin­ger davon las­sen soll­ten, lässt Exper­ten die Stirn run­zeln. Wil­liams Tipps beru­hen dabei im Kern auf fol­gen­der Annah­me: Wir neh­men über die Ernäh­rung Gif­te auf, als Bei­spiel dafür die­nen Schwer­me­tal­le und Pflan­zen­schutz­mit­tel. Die­se schäd­li­chen Stof­fe lagern sich in unse­ren Ent­gif­tungs­or­ga­nen, wozu unter ande­rem Leber und Nie­ren gehö­ren, ab. Sind die Orga­ne dann irgend­wann über­for­dert, stel­len sich ver­schie­de­ne Krank­hei­ten ein. Wil­liam führt nun an, dass man sich selbst durch die Ernäh­rung ent­gif­ten und hei­len kann. Dass Krank­hei­ten gene­ti­sche Ursprün­ge haben kön­nen, glaubt Wil­liam dage­gen nicht. Gegen­wind bekommt er genug. So etwa durch sei­nen Lands­mann, den Apo­the­ker Scott Gavu­ra, der Wil­liam auf dem Fach­por­tal Sci­ence-Based Medi­ci­ne zu wider­le­gen ver­sucht und ihn als „Pseu­do­wis­sen­schaft­ler“ bezeich­net. Wie auch immer: Scha­den soll­te das Trin­ken von Sel­le­rie­saft im Nor­mal­fall jeden­falls nicht.

Beim Vit­amin­ge­halt ste­chen die Vit­amin A Reti­nol­äqui­va­lent und Vit­amin A Beta-Caro­tin mit 54- bzw. 145 pro­zen­ti­ger Tages­be­darfs­de­ckung her­vor. Alles ande­re bewegt sich deut­lich unter zehn Pro­zent. Auch bei Mine­ral­stof­fen und Spu­ren­ele­men­ten sind kei­ne Wer­te vor­han­den, die annä­hernd den Tages­be­darf nach ihnen decken.

Wie gesund ist Sel­le­rie­saft?

Über die gesund­heit­li­che Wir­kung des Sel­le­rie­saf­tes herrscht media­le Unei­nig­keit. Dafür nach­fol­gend ein Pro- und Kon­tra-Bei­spiel.

Pro

In der Gala ist unter Beru­fung auf die Deut­sche Gesell­schaft für Ernäh­rung (DGE) und eatsmarter.de zu lesen, dass der für den Sel­le­rie­saft ver­wen­de­te Stau­den­sel­le­rie vol­ler Nähr­stof­fe steckt und als wah­res Super­food gilt. Kalo­ri­en­zahl und Fett­an­teil sind zu ver­nach­läs­si­gen­de Grö­ßen, womit Sel­le­rie der per­fek­te Snack für Low-Carb-Befür­wor­ter und Figur­be­wuss­te sei. Gelobt wird auch der hohe Anteil an sekun­dä­ren Pflan­zen­stof­fen, die im Kör­per ihre anti­oxi­da­ti­ve Wir­kung ent­fal­ten, womit man ja zumin­dest recht nah bei Wil­liam läge. Im Zusam­men­spiel mit den Vit­ami­nen A, B, C und E wür­den die Abwehr­kräf­te gestärkt und das Immun­sys­tem in sei­ner natür­li­chen Funk­ti­on unter­stützt. Zitat: „Dank sei­ner ent­hal­te­nen äthe­ri­schen Öle und Bit­ter­stof­fe wirkt das grü­ne Gemü­se anti­bak­te­ri­ell, antient­zünd­lich, ent­wäs­sernd, anre­gend auf die Ver­dau­ung und wohl­tu­end auf den Magen – klei­ne Ver­stim­mun­gen sind dank des Sel­le­rie­safts schnell ver­flo­gen“.

Kon­tra

Wer sich einen Saft aus Stan­gen­sel­le­rie pres­sen möch­te, kann das ger­ne machen, ist im Blog der Tier­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on PETA nach­zu­le­sen. Ob sich die von Wil­liam ange­kün­dig­te hei­len­de Wir­kung ein­stellt, sei aber frag­lich. Wenn man sei­ner Emp­feh­lung folgt und jeden Mor­gen knapp einen hal­ben Liter fri­schen Sel­le­rie­saft auf nüch­ter­nen Magen zu sich nimmt, sei – auch aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht – frag­wür­dig, ob man sei­ne Gesund­heit damit erhö­he. Mit dem über 92-pro­zen­ti­gen Was­ser­an­teil, wir­ke man wohl eher mor­gend­li­cher Dehy­dra­ti­on ent­ge­gen. So erklärt sich laut PETA auch, dass sich vie­le Leu­te nach dem Getränk bes­ser und „vol­ler Ener­gie“ füh­len. Kri­tisch wäre beson­ders zu beur­tei­len, dass Sel­le­rie nach dem Pres­sen eini­ge der zwei­fel­los vor­han­de­nen Vit­ami­ne und Mine­ra­li­en ver­lie­re. Zudem hät­ten vie­le Obst- und Gemü­se­sor­ten, wie Pfir­si­che beim Eisen, Grün­kohl beim Kal­zi­um und Brok­ko­li bei Vit­ami­nen ohne­hin bes­se­re Basis­wer­te. Aber auch an Samen und Nüs­se sei zu den­ken, wenn man fit blei­ben möch­te: Wal­nüs­se etwa ent­hal­ten viel Vit­amin E und wert­vol­le Ome­ga-3-Fett­säu­ren. Ins­ge­samt emp­fiehlt PETA – statt auf Wil­liams Rezep­te zu set­zen – es bes­ser mit einer aus­ge­wo­ge­nen, gesun­den pflanz­li­chen Ernäh­rung zu ver­su­chen.

Quel­le: shape UP fit­ness 1/2020
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