Flower-Power

Im Spit­zen­sport geht es stets um die Leis­tungs­op­ti­mie­rung. Immer mehr Ath­le­ten ent­de­cken die vega­ne Ernäh­rung für sich – pro­mi­nen­te Bei­spie­le sind For­mel-1-Welt­meis­ter Lewis Hamil­ton, Iron­man-Hawaii-Gewin­ner Patrick Lan­ge und Patrik Babo­umi­an, der stärks­te Mann Deutsch­lands. Aber klappt das?

Man kann den Kör­per mit einem For­mel-1-Boli­den ver­glei­chen. Für opti­ma­le Leis­tung braucht er „Hoch­leis­tungs­treib­stoff“, dazu Kühl­flüs­sig­keit sowie das bes­te Motor­öl und eine exzel­len­te, fort­wäh­ren­de War­tung. Für den Kör­per gilt: Wenn neben Sauer­stoff, Was­ser und Son­nen­licht auch Qua­li­tät (sai­so­nal, regio­nal, bio, mög­lichst unver­ar­bei­tet), Men­ge und Timing unse­rer Nah­rung stim­men, arbei­tet das kör­per­ei­ge­ne „Ser­vice­team“ völ­lig auto­nom, aber eben­so per­fekt. Und es bil­det damit die Grund­la­ge für höchs­te Leis­tungs­fä­hig­keit und Gesund­heit.

Was ist dran an „Plant Power“?

Um die­se Fra­ge zu klä­ren, hilft ein Blick in die aktu­el­le Stu­di­en­la­ge zu ver­schie­de­nen Behaup­tun­gen rund um vega­ne Ernäh­rung. Der Über­blick zeigt, dass prak­tisch alle Nähr­stof­fe auch mit rein pflanz­li­cher Kost in aus­rei­chen­der Men­ge zuge­führt wer­den kön­nen.

Wel­che Lebens­mit­tel

Nahe­zu sämt­li­che Gemü­se- und Obst­sor­ten sind basi­sche Lebens­mit­tel; typi­sche „Säu­re­lie­fe­ran­ten“ sind hin­ge­gen Milch­pro­duk­te, Fleisch, Fisch, Alko­hol und vie­le Getrei­de­sor­ten. Der Kör­per ist stets bemüht, sei­nen Säu­re-Basen-Haus­halt im Gleich­ge­wicht zu hal­ten, also bei einem Blut-pH-Wert von 7,36 bis 7,44. Inwie­weit eine basi­sche Ernäh­rung über den Stoff­wech­sel direk­ten Ein­fluss dar­auf hat, ist in der Wis­sen­schaft noch nicht abschlie­ßend geklärt. Den­noch pro­fi­tiert jedes Säu­ge­tier und damit auch der Mensch von einer basi­schen Ernäh­rung – egal ob Ath­let oder Patient.Der Stoff­wech­sel ver­braucht beim Ver­dau­ungs­pro­zess von roher pflanz­li­cher Kost weni­ger Ener­gie. Dadurch steht dem Kör­per mehr Ener­gie für phy­si­sche und geis­ti­ge Leis­tun­gen zur Ver­fü­gung. Säu­re­bil­den­de Lebens­mit­tel för­dern außer­dem Ent­zün­dun­gen, die­se beein­träch­ti­gen unter ande­rem das Immun­sys­tem sowie die Leis­tungs­fä­hig­keit der Mus­ku­la­tur. Als Grund­la­ge für hohe Trai­nings­in­ten­si­tä­ten und eine opti­ma­le Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit soll­ten Spit­zen­sport­ler mög­lichst rohe, unver­ar­bei­te­te und basi­sche pflanz­li­che Lebens­mit­tel ver­wen­den.

Oxi­da­ti­ver Stress, freie Radi­ka­le

Laut Dr. Robert Vogel, Chef­kar­dio­lo­ge der US-ame­ri­ka­ni­schen Natio­nal Foot­ball League, ist eine signi­fi­kant gestei­ger­te anti­oxi­da­ti­ve Wir­kung bereits 24 Stun­den nach einer ein­zi­gen pflan­zen­ba­sier­ten Mahl­zeit im Blut nach­weis­bar. Gleich­zei­tig kommt es zu einer ver­bes­ser­ten Durch­blu­tung aller Gewe­be – in punc­to Rege­ne­ra­ti­on eine opti­ma­le Vor­aus­set­zung für jeden inten­siv trai­nie­ren­den Ath­le­ten.

Kalo­rien­de­fi­zit

Man­che Sport­ler neh­men bei vega­ner Ernäh­rung weni­ger Kalo­rien zu sich, als sie ver­bren­nen; dies führt zu unge­woll­tem Gewichts­ver­lust. Pflan­zen sind natur­be­las­sen und besit­zen eine gerin­ge­re Kalo­rien­dich­te als tie­ri­sche Lebens­mit­tel. Mit ange­rei­cher­ten Smoot­hies las­sen sich Gewichts­ver­lus­te ver­hin­dern, indem man neben Obst und Gemü­se fol­gen­de Zuta­ten ver­wen­det, gekeim­tes Hanf­mus, gekeim­te Hanf­sa­men, Lein­sa­men, Chia­sa­men­ge­keim­te, Hir­se, Buch­wei­zen, Wild­reis, Qui­no­age­keim­te Hül­sen­früch­te, Kokos­nuss, Oli­ven, Avo­ca­do.

Kei­men und Fer­men­tie­ren

Kom­men gekeim­te Samen zum Ein­satz, macht man sich ver­schie­de­ne Vor­tei­le zunut­ze. Wäh­rend des Kei­mens wer­den Kle­ber- und Spei­cher­pro­te­ine zu frei­en Ami­no­säu­ren umge­baut. Der Kör­per kann die­se wert­volls­te Form des Pro­te­ins sofort ver­wen­den. Dar­über hin­aus steigt der Vit­amin­ge­halt des Samens beim Kei­men an, gleich­zei­tig wer­den Fraß­gif­te und Mine­ra­li­en­blo­cker wie bei­spiels­wei­se Phytin­säu­re abge­baut. Da der Samen beim Kei­men ein leben­di­ger Orga­nis­mus ist, ent­hält er vie­le Vital­stof­fe. Um wei­te­re Fraß­gif­te wie Lek­ti­ne oder Sap­po­ni­ne unschäd­lich zu machen, emp­fiehlt es sich bei man­chen Samen, sie kurz abzu­ko­chen, etwa bei Hül­sen­früch­ten oder Qui­noa.

Beim Fer­men­tie­ren kommt es zu einer Art Vor­ver­dau­ung von Nah­rung, zum Bei­spiel durch hin­zu­ge­füg­te Bak­te­ri­en, Pil­ze oder Enzy­me. Die Fer­men­ta­ti­on bewirkt den größt­mög­li­chen Abbau von Phytin­säu­re, die Eisen, Zink, Kal­zi­um, Magne­si­um und Phos­phor für die mensch­li­che Ver­dau­ung unlös­lich bin­den kann. Pro­duk­te wie pflanz­li­che Joghurts, Tem­peh, Kom­bu­cha, Sauer­kraut, Hafer­drink oder Sauer­teig­brot lie­fern pro­bio­ti­sche Bak­te­ri­en, die gut für unse­re Ver­dau­ung sind.

Pro­te­in

Ein mög­li­cher Pro­te­in­man­gel wird oft­mals als Defi­zit einer fleisch­lo­sen Ernäh­rung ange­führt. Pflanz­li­chem Eiweiß wür­den ent­schei­den­de Ami­no­säu­ren feh­len, wodurch ein Man­gel an sel­bi­gen ver­ur­sacht wür­de. In Wahr­heit wer­den aber alle neun essen­zi­el­len Ami­no­säu­ren aus­schließ­lich von Pflan­zen pro­du­ziert. Pflan­zen­fres­sen­de Tie­re bau­en dar­aus kom­plet­te Pro­te­ine. Der Ver­zehr die­ser tie­ri­schen Pro­te­ine erfor­dert aller­dings eine gro­ße Men­ge an Ver­dau­ungs­en­er­gie, um sie wie­der auf­zu­spal­ten. Inso­fern besteht auch bei einer vega­nen Ernäh­rung die Mög­lich­keit, alle not­wen­di­gen Pro­te­ine auf­zu­neh­men.

Vit­ami­ne, Mine­ra­li­en und Sup­ple­men­te

Alle Vit­ami­ne und Mine­ra­li­en, die man in tie­ri­schen Lebens­mit­teln fin­det, sind auch in Pflan­zen vorhanden.Vitamine kön­nen durch Was­ser, Wär­me, Licht oder Sauer­stoff zer­stört wer­den. Des­halb soll­te man eine lan­ge Lage­rung und wei­te Trans­port­we­ge sowie zu lan­ges Kochen ver­mei­den. Je fri­scher das Essen, des­to höher ist der Vit­amin- und Anti­oxi­d­an­zi­en­ge­halt. Soweit mög­lich soll­te man also auch den eige­nen Gar­ten oder Wald dem Bio­su­per­markt vorziehen.Bei jeder Ernäh­rungs­form kann es vor­kom­men, dass man­che Nähr­stof­fe sup­ple­men­tiert wer­den müs­sen. Typi­sche Bei­spie­le sind Vit­amin B12, Ome­ga-3-Fett­säu­ren und Vit­amin D.

Eisen

Obwohl Eisen aus Fleisch und Fisch eine bes­se­re Bio­ver­füg­bar­keit auf­weist als Eisen aus Pflan­zen, konn­te nicht belegt wer­den, dass Vega­ner und Vege­ta­ri­er häu­fi­ger an Eisen­man­gel lei­den. Aller­dings müs­sen sie men­gen­mä­ßig mehr Eisen auf­neh­men als Omni­vo­ren. Für eine opti­ma­le Auf­nah­me soll­ten eisen­hal­ti­ge stets mit Vit­amin-C-hal­ti­gen Lebens­mit­teln kom­bi­niert wer­den. Kräu­ter lie­fern idea­ler­wei­se bei­de Kom­po­nen­ten in gro­ßer Men­ge.

Kal­zi­um

Als Mine­ral­stoff bil­det Kal­zi­um im Kör­per die Hart­sub­stanz von Kno­chen­ge­we­be und Zäh­nen. Kal­zi­um wird in den Kno­chen „gespei­chert“ und erfüllt dadurch auch eine stüt­zen­de Funk­ti­on, im Blut ist es an der Blut­ge­rin­nung, als hor­mon- oder enzy­mak­ti­vie­ren­de Sub­stanz oder an der neu­ro­mus­ku­lä­ren Erreg­bar­keit beteiligt.Auch beim The­ma Kal­zi­um sug­ge­riert die Wer­bung immer noch die Bedeut­sam­keit des Ver­zehrs von Milch­pro­duk­ten. Aller­dings gibt es hier eben­falls güns­ti­ge vega­ne Quel­len, wie Mohn, Sesam, Hanf­sa­men, Man­deln, Hasel­nüs­se, Ama­ranth, Grün­kohl, Peter­si­lie, Brenn­nes­sel, Algen, Cham­pi­gnons, Brok­ko­li und Spi­nat.

Jod

Das essen­zi­el­le Spu­ren­ele­ment Jod ist von gro­ßer Bedeu­tung für den Stoff­wech­sel der Schild­drü­se und die Bil­dung der Schild­drü­sen­hor­mo­ne. Die­se beein­flus­sen unter ande­rem die Ent­wick­lung von Kno­chen und Gehirn, den Stoff­wech­sel von Koh­len­hy­dra­ten, Pro­te­inen und Fet­ten sowie den Grund­um­satz. Eine aus­rei­chen­de Ver­sor­gung mit Jod ist in Deutsch­land nicht gegeben.Himalaya- oder Stein­salz schei­nen aktu­ell die sichers­ten Quel­len. Für eine opti­ma­le Jod­auf­nah­me ist auf eine aus­rei­chen­de Selen­ver­sor­gung zu ach­ten, zum Bei­spiel durch Para­nuss, Kokos­nuss, Rosen­kohl, Boh­nen, Lin­sen, Kicher­erb­sen. Vor einer Jod­sup­ple­men­tie­rung soll­te man unbe­dingt Rück­spra­che mit einem erfah­re­nen Arzt hal­ten.

Zink

Die­ses essen­zi­el­le Spu­ren­ele­ment fin­det sich in Papri­ka, Hafer, Din­kel, Ama­ranth, Erb­sen, Lin­sen, Boh­nen, Cas­hews, Man­deln und Paranüssen.Omega-3-Fettsäuren Sie gel­ten als blut­ver­flüs­si­gend und antient­zünd­lich.

Vit­amin B12

Unab­hän­gig von der Ernäh­rungs­form kann jeder Mensch einen B12-Man­gel erlei­den, wenn er nicht sup­ple­men­tiert oder sich nicht ent­spre­chend natür­lich ernährt. Vit­amin B12 wird von Mikro­or­ga­nis­men pro­du­ziert, nicht von Tie­ren. Es ist auch auf gesun­den, nähr­stoff­rei­chen Böden vor­han­den. Lei­der essen Men­schen in der Regel zu wenig Unge­wa­sche­nes aus der Natur, wes­halb eine B12-Sup­ple­men­tie­rung häu­fig anzu­ra­ten ist. Zwar kommt auch in Fleisch Vit­amin B12 vor, doch Mast­tie­re wer­den dank unna­tür­li­cher Ernäh­rungs­wei­se eben­falls mit B12 sup­ple­men­tiert, und zwar mit dem bil­li­gen syn­the­ti­schen Cya­no­co­ba­l­a­min.

Vit­amin D (natür­li­ches Son­nen­licht oder D3)

Vit­amin D steu­ert die Auf­nah­me und Ver­wer­tung von Kal­zi­um und beugt Osteo­po­ro­se vor. Der mensch­li­che Kör­per syn­the­ti­siert Vit­amin D bei aus­rei­chen­der Son­nen­ex­po­si­ti­on. Gemäß der „Natio­na­len Ver­zehrs­stu­die II“ lei­den zwei Drit­tel der Bevöl­ke­rung an Vit­amin-D-Man­gel (5). Auch in den son­nen­star­ken Mona­ten wird eine aus­rei­chen­de Vit­amin-D-Ver­sor­gung sel­ten erreicht. Eine Sup­ple­men­tie­rung von Vit­amin D3 in Kom­bi­na­ti­on mit Vit­amin K2 ist emp­feh­lens­wert.

Geträn­ke

Dass eine aus­rei­chen­de Flüs­sig­keits­ver­sor­gung für einen funk­tio­nie­ren­den und leis­tungs­fä­hi­gen Orga­nis­mus ent­schei­dend ist, steht außer Fra­ge. Idea­ler­wei­se soll­te über den Tag stil­les Was­ser auf Zim­mer­tem­pe­ra­tur getrun­ken wer­den, am bes­ten aus Glas­fla­schen. Nach dem Sport bie­ten sich Elek­tro­lyt­ge­trän­ke wie Kokos­nuss­was­ser, grü­ne Säf­te (Grä­ser und Kräu­ter) und Smoot­hies an. Ein Bei­spiel ist der fol­gen­de „grü­ne Recovery-Smoothie“.Grüner Reco­very-Smoot­hieS­moot­hies sind Nah­rung und müs­sen des­halb gut ein­ge­spei­chelt und gekaut werden.Für den Reco­very-Smoot­hie wer­den zwei Drit­tel Kräu­ter oder Blatt­grün (zum Bei­spiel Grün­kohl, Spi­nat) mit einem Drit­tel Obst (zum Bei­spiel Ana­nas, Bana­ne, Bee­ren) gemischt. Idea­ler­wei­se kom­men noch Ing­wer, Rote Bee­te, Hanf­sa­men, Lein­sa­men, Kur­ku­ma, schwar­zer Pfef­fer und Zimt dazu. Alle Zuta­ten wer­den mit stil­lem Was­ser oder Kokos­was­ser auf­ge­füllt und gemixt. Die Bio­ver­füg­bar­keit lässt sich durch Spros­sen, Öle (Lein­öl, Avo­ca­do­öl, Chia­öl), Wild- und Heil­kräu­ter erhö­hen.

Fazit

Auch mit vega­ner Ernäh­rung kann eine aus­rei­chen­de Nähr­stoff­ver­sor­gung gewähr­leis­tet wer­den. Ins­be­son­de­re der gerin­ge­re Ener­gie­be­darf bei der Ver­dau­ung von pflanz­li­cher Kost sowie posi­ti­ve Effek­te auf Rege­ne­ra­ti­on und Immun­sys­tem machen eine vega­ne Ernäh­rung für Sport­ler inter­es­sant. Zwar ist wei­te­re For­schung not­wen­dig, um Annah­men zu bele­gen und zu unter­mau­ern, doch vie­les deu­tet bereits jetzt dar­auf hin, dass der „Hoch­leis­tungs­treib­stoff“ für den Kör­per frei von tie­ri­schen Pro­duk­ten daher­kommt.

Abbil­dung: Ross­He­len / shutterstock.com
Quel­le: shape UP 2/2023