Zel­len im Ein­klang

Tau­schen Zel­len Stoff­wech­sel­pro­duk­te mit­ein­an­der aus, beschert ihnen dies ein län­ge­res Leben. Das konn­te ein For­schungs­team der Cha­ri­té – Uni­ver­si­täts­me­di­zin Ber­lin nun erst­mals in einer Stu­die am Bei­spiel von Hefe­zel­len zei­gen. Dass der Stoff­aus­tausch einen direk­ten Ein­fluss auf die Lebens­dau­er von Zel­len hat, könn­te für die Erfor­schung von Alte­rungs­pro­zes­sen und alters­be­ding­ten Erkran­kun­gen von Men­schen künf­tig eine wich­ti­ge Rol­le spie­len.

Stoff­wech­sel und Altern gehö­ren untrenn­bar zusam­men: Stoff­wech­sel­pro­zes­se tra­gen zur Auf­recht­erhal­tung der Lebens­funk­tio­nen bei, sor­gen für Wachs­tum oder sto­ßen Repa­ra­tur­maß­nah­men in Zel­len an. Doch es wer­den auch Stof­fe pro­du­ziert, die schäd­lich für die Zel­le sind und den Alte­rungs­pro­zess vor­an­trei­ben. „Die Stoff­wech­sel­pro­zes­se, die inner­halb von Zel­len ablau­fen, sind hoch­kom­plex“, sagt Prof. Dr. Mar­kus Ral­ser, Direk­tor des Insti­tuts für Bio­che­mie an der Cha­ri­té und Ein­stein-Pro­fes­sor für Bio­che­mie. „Eine zen­tra­le Rol­le spielt dabei unter ande­rem der Stoff­aus­tausch zwi­schen Zel­len einer Zell­ge­mein­schaft, denn er beein­flusst den inter­nen Zell­stoff­wech­sel maß­geb­lich mit.“ Zel­len ste­hen mit benach­bar­ten Zel­len – etwa in Kör­per­ge­we­ben – in ste­ti­gem Aus­tausch: Sie schleu­sen nicht benö­tig­te Stof­fe aus ihrem Zell­in­ne­ren aus und neh­men Sub­stan­zen aus ihrer Umge­bung auf. In einer aktu­el­len Stu­die ging das Team um den Stoff­wech­sel­ex­per­ten Prof. Ral­ser der Fra­ge nach, ob der Aus­tausch von Stoff­wech­sel­pro­duk­ten, soge­nann­ten Meta­boli­ten, einen Ein­fluss auf die Lebens­dau­er von Zel­len hat.

​Spe­zi­el­les Unter­su­chungs­sys­tem

Für ihre Unter­su­chun­gen arbei­te­ten die For­schen­den mit Hefe­zel­len und führ­ten Expe­ri­men­te zur Bestim­mung der Lebens­dau­er durch. Hefe­zel­len sind ein wich­ti­ges Modell der Grund­la­gen­for­schung, ein domi­nie­ren­der Mikro­or­ga­nis­mus in der Bio­tech­no­lo­gie und auch in der Medi­zin wich­tig, da sie Pilz­in­fek­tio­nen aus­lö­sen kön­nen. „Wir konn­ten zei­gen, dass sich die Lebens­span­ne der Zel­len um rund 25 Pro­zent ver­län­ger­te, wenn sie Meta­boli­ten mit­ein­an­der aus­tau­schen konn­ten“, sagt Dr. Cla­ra Cor­reia-Melo, eben­falls vom Insti­tut für Bio­che­mie der Cha­ri­té und Erst­au­torin der Stu­die. „Nun woll­ten wir natür­lich wis­sen, wel­che Stof­fe und Aus­tausch­pro­zes­se hin­ter die­ser lebens­ver­län­gern­den Wir­kung ste­hen.“ Um das her­aus­zu­fin­den, nutz­ten die For­schen­den ein spe­zi­el­les, durch Mas­sen­spek­tro­me­trie gestütz­tes Unter­su­chungs­sys­tem, mit dem sich der Stoff­aus­tausch zwi­schen den Zel­len genau nach­ver­fol­gen lässt. Sie stell­ten fest, dass jun­ge Zel­len, die sich noch gut und oft teil­ten, Ami­no­säu­ren aus­schie­den, und dass die­se von den älte­ren Zel­len auf­ge­nom­men wur­den.

Methio­nin und Gly­ce­rol

Ami­no­säu­ren sind die Bau­stei­ne, aus denen Pro­te­ine zusam­men­ge­setzt sind. Das For­schungs­team fand her­aus, dass der Aus­tausch der Ami­no­säu­re Methio­nin das Leben der betei­lig­ten Zel­len ver­län­gert. Die Ami­no­säu­re kommt in allen Orga­nis­men vor und spielt für die Pro­te­in­her­stel­lung und auch in vie­len zel­lu­lä­ren Pro­zes­sen eine wich­ti­ge Rol­le. „Das Inter­es­san­te ist, dass für die Lebens­ver­län­ge­rung der alten Zel­len der Stoff­wech­sel der jun­gen Zel­len ver­ant­wort­lich war“, sagt Prof. Ral­ser. Eini­ge jun­ge Zel­len gaben Methio­nin ab, das ande­re jun­ge Zel­len auf­nah­men. Dadurch wur­de deren Zell­stoff­wech­sel so ver­än­dert, dass sie Stoff­wech­sel­pro­duk­te aus­schie­den, von denen die Methio­nin pro­du­zie­ren­den Zel­len pro­fi­tier­ten. Dabei han­delt es sich etwa um Gly­ce­rol, das für den Auf­bau von Zell­mem­bra­nen benö­tigt wird und zell­schüt­zen­de Eigen­schaf­ten hat. „Geben lang­le­bi­ge, Methio­nin auf­neh­men­de Zel­len Gly­ce­rol ab, ver­län­gern sie dadurch auch das Leben der Methio­nin pro­du­zie­ren­den Zel­len – eine Win-win-Situa­ti­on“, erklärt Dr. Cor­reia-Melo. „Und durch die­sen koope­ra­ti­ven Stoff­aus­tausch zwi­schen den Zel­len ver­län­gert sich die Lebens­dau­er der gesam­ten Zell­ge­mein­schaft.“​

Stoff­aus­tausch bedingt Lebens­dau­er

Mit ihrer Stu­die konn­ten die For­schen­den anhand von Hefe­zell­ge­mein­schaf­ten erst­ma­lig zei­gen, dass der Stoff­aus­tausch einen direk­ten Ein­fluss auf die Lebens­dau­er und den Alte­rungs­pro­zess von Zel­len hat. Sie ver­mu­ten, dass dies auch für ande­re Zell­ty­pen, etwa mensch­li­che Kör­per­zel­len, zutrifft und wol­len dies in wei­ter­füh­ren­den Stu­di­en prü­fen. „Um die Ent­ste­hung alters­be­ding­ter Erkran­kun­gen wie etwa Dia­be­tes, Krebs oder neu­ro­de­ge­nera­ti­ve Erkran­kun­gen zu erfor­schen, müs­sen die kom­ple­xen Stoff­wech­sel­we­ge inner­halb, aber eben auch zwi­schen den Zel­len bes­ser ver­stan­den wer­den“, sagt Prof. Ral­ser. „Der Stoff­aus­tausch zwi­schen Zel­len ist ein bis­lang über­se­he­ner, aber ganz offen­sicht­lich maß­geb­li­cher Fak­tor für den zel­lu­lä­ren Alte­rungs­pro­zess. Wir hof­fen, dass wir mit unse­rer Stu­die dazu bei­tra­gen kön­nen, dass künf­tig der Aus­tausch von Stoff­wech­sel­pro­duk­ten zwi­schen Zel­len ver­stärkt in den Blick genom­men wird.“

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Quel­le: shape UP Vita 2/2023