Nach­bren­ner an

Super­kurz, hoch­ef­fek­tiv und kein Gewich­te­stem­men – Work­outs, die den Kör­per auf per­ma­nen­ten Fett­ab­bau pro­gram­mie­ren, sind für vie­le Frau­en eigent­lich wie gemacht. Klei­ner Haken: Ohne schwit­zen und aus der Pus­te kom­men, geht’s lei­der nicht.

Von nichts, kommt nichts – in Trai­nings­spra­che über­setzt heißt das: Nur, wer sich beim Üben wirk­lich ins Zeug lohnt, ern­tet auch Lor­bee­ren. Das gilt beson­ders dann, wenn sich der viel beschwo­re­ne Nach­brenn­ef­fekt ein­stel­len soll. Möch­test du, dass sich dei­ne Fatburn-Räd­chen ab einem gewis­sen Punkt wie von selbst dre­hen, kommst du um inten­si­ves Trai­ning nicht her­um.

Nach­bren­nen bis zur höchs­ten Stu­fe

Ein gewis­ses Nach­bren­nen gibt es bei spür­ba­rer sport­li­cher Betä­ti­gung immer. Denn das Gleich­ge­wicht unse­re Kör­per­funk­tio­nen (Homöosta­se) wird durch Trai­ning & Co. grund­sätz­lich durch­ein­an­der­ge­rüt­telt. Die­se Ruhe­stö­rung gilt es wie­der aus­zu­glei­chen, infol­ge­des­sen wird der Stoff­wech­sel hoch­ge­fah­ren. Der Kör­per kann dann gar nicht sofort auf Null schal­ten und schlag­ar­tig alle mus­ku­lä­ren Fett­ver­bren­nungs­ak­ti­vi­tä­ten ein­stel­len. Das ist wie bei einer Hei­zung, wenn du die abdrehst, gibt sie noch eine gan­ze Wei­le Wär­me ab. Wie lan­ge die Nach­wir­kung anhält, hängt von dem zuvor erreich­ten Ener­gie-Level ab. Das wäre beim Trai­ning die Inten­si­tät der Belas­tung. Wenn die­se eine Stu­fe erreicht, bei der dein Kör­per dazu gebracht wird noch lan­ge Zeit nach Übungs­en­de und selbst im Schlaf recht flei­ßig Fett zu ver­bren­nen, spre­chen wir vom Nach­brenn­ef­fekt. Die Exis­tenz die­ses auch After-Burn-Effect oder EPOC/Excess Post­ex­er­cise Oxy­gen Con­sump­ti­on genann­ten Phä­no­mens ist unbe­strit­ten.

Impul­se von ganz weit oben

Über die exak­ten phy­sio­lo­gi­schen Pro­zes­se hin­ter dem EPOC wird spe­ku­liert. Nach Auf­fas­sung des Mole­ku­lar­bio­lo­gen Edu­ar­do Ropel­le von der Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten in Limei­ra, Bra­si­li­en, spielt dabei ein Pro­te­in namens Interleukin‑6 (kurz IL‑6) eine wich­ti­ge Rol­le. Pri­mär löst es Ent­zün­dun­gen aus, aber es kann auch Gutes bewir­ken, denn beim und nach dem Sport sorgt es für die Ver­bren­nung von Mus­kel­fett. Durch Inten­si­vie­rung der sport­li­chen Belas­tung kann die IL-6-Aus­schüt­tung um das 100-fache im Ver­gleich zum Ruhe­zu­stand erhöht wer­den. Beson­ders inter­es­sant ist dabei, was Ropel­le her­aus­fand: Das Fett wird dank einer Ner­ven­ver­bin­dung zwi­schen Hypo­tha­la­mus, dem im Hirn befind­li­chen wich­tigs­tem Steu­er­zen­trum des vege­ta­ti­ven Ner­ven­sys­tems, und Mus­kel ver­brannt. Wäh­rend Interleukin‑6 im Mus­kel schon bald nach der Belas­tung wie­der zurück­geht und an Fatburn-Wir­kung ver­liert, lässt das Pro­te­in den Hypo­tha­la­mus wei­ter­hin Ner­ven­si­gna­le an die Mus­keln abfeu­ern. Dies wür­de die lan­ge Dau­er des Nach­brenn­ef­fekts erklä­ren und die alte Weis­heit, dass Abneh­men auch eine Kopf­sa­che ist, auf bis­her nicht gekann­te Art bestä­ti­gen.

Bei einer US-ame­ri­ka­ni­schen Unter­su­chung der Uni­ver­si­ty of Wis­con­sin wur­de fest­ge­stellt: Der Nach­brenn­ef­fekt wächst mit zuneh­men­der Trai­nings­dau­er line­ar, mit zuneh­men­der Trai­nings­in­ten­si­tät sogar exponentiell.Ein beson­ders hoher EPOC wur­de im Anschluss an ein High Inten­si­ty Inter­vall Trai­ning (HIIT) ermit­telt. Dabei folg­te auf 30-Sekun­den-Belas­tun­gen mit min­des­tens 85 Pro­zent der maxi­mal mög­li­chen Leis­tung 30 Sekun­den ent­schleu­nig­tes Trai­nie­ren. Die For­scher sinn­ge­mäß: Kur­ze Wochen­trai­nings mit um die 90 Minu­ten Gesamt­dau­er ent­fal­ten nur Abnehm­wir­kung, wenn sie hoch­in­ten­siv sind. Soll­test du also an schnel­len Resul­ta­ten inter­es­siert sein, ist HIIT ein ech­ter Hit.

So legst du den Schal­ter um

Wenn es rich­tig kra­chen soll, müs­sen schon 60, bes­ser sogar 90 Pro­zent der maxi­ma­len Leis­tungs­fä­hig­keit abge­ru­fen wer­den und das für min­des­tens zehn, bes­ser 30 Minuten.Das sich Ein­stel­len des Nach­brenn­ef­fekts ist, sie­he oben, beim HIIT-Trai­ning beson­ders gut belegt. Wer also ohne Mehr­auf­wand oder volks­tüm­lich aus­ge­drückt, beim Fau­len­zen, zusätz­lich Kalo­rien kil­len möch­te, tut gut dar­an, ein ent­spre­chen­des Übungs­pro­gramm zu fah­ren. Der Ener­gie­ver­brauch steigt nach oben und hält dann abneh­mend bis zu 48 Stun­den an.

HIIT bie­tet sich vor allem bei Aus­dau­er­sport­ar­ten an, weil sich bei ihnen sehr gut die Belas­tung vari­ie­ren lässt. Zum Bei­spiel erst sprin­ten, dann tra­ben. Für Lauf­band, Spin­ning-Bike, Ruder­ge­rät & Co. gilt also: Abwech­selnd erst an die Belas­tungs­gren­ze gehen und dann wie­der in den Nor­mal­be­reich wech­seln. Eine gene­rel­le Emp­feh­lung für die Zeit­ein­tei­lung gibt es dabei nicht, da Inten­si­täts-Level und Ehr­geiz­grö­ße vari­ie­ren. Eine Ori­en­tie­rungs­hil­fe gibt es den­noch: Die Pha­se inten­si­ver Belas­tung soll­te zwi­schen 15 und 60 Sekun­den lie­gen, der anschlie­ßen­de ruhi­ge­re Abschnitt dop­pelt oder drei­mal so lang sein. Nach dem Kraft­akt emp­fiehlt sich drin­gend eine drei­tä­gi­ge HIIT-Pau­se, damit sich spe­zi­ell das stra­pa­zier­te Ner­ven­sys­tem erho­len kann.

Was ist mit Kraft­übun­gen?

HIIT mit Kraft­übun­gen geht auch, hier wer­den pri­mär Body­weight Exer­ci­ses ein­ge­setzt. Aller­dings ist das zu wäh­len­de Ver­fah­ren anders, weil der Wech­sel von inten­siv zu mode­rat im Rah­men der Übung nicht funk­tio­niert. Neh­men wir mal den Lie­ge­stütz als Bei­spiel. Die Aus­füh­rung ist ab einer gewis­sen Wie­der­ho­lungs­zahl immer inten­siv, denn mode­ra­te Push-ups gibt es schlicht und ein­fach nicht. Um die­ses Pro­blem zu umge­hen, gibt es eine Viel­zahl von Metho­den. Eine bewähr­te ist zum Bei­spiel, den Erho­lungs-Part in Form von Pau­sen zu gestal­ten, bei denen du dich aber nicht hin­setzt, son­dern in Bewe­gung bleibst. Auf der Stel­le lau­fen ist denk­bar, oder irgend­et­was, bei dem du dich schüt­telst, beugst oder dehnst. Sobald sich Puls und Atmung beru­higt haben, geht es von vor­ne los.

Inner­halb eines Trai­nings­blocks wird zudem fast immer vari­iert. Also nicht nur, um beim Bei­spiel zu blei­ben, Lie­ge­stüt­ze son­dern ein Übungs-Mix aus dem gro­ßen Fun­dus an Eigen­ge­wichts­übun­gen. Die aus­ge­wähl­ten Exer­ci­ses, fünf ist hier ein guter Anzahl­richt­wert, absol­vierst du nach­ein­an­der und mit einer Fre­quenz, die dich bis kurz vor dei­ne Gren­ze bringt. Das Gan­ze wie­der­holst du bis du die gewünsch­te Gesamt­trai­nings­dau­er erreicht hast.

Gibt es Alter­na­ti­ven zu HIIT?

Ja, grund­sätz­lich las­sen sich eine Men­ge Sport­ar­ten inten­siv betrei­ben, man­che sind schon von ihrer Wesens­art her hoch belas­tend. Genannt wer­den unter ande­rem Squash, Seil­sprin­gen Calis­the­nics (schwie­ri­ge Eigen­ge­wichts­übun­gen) und Lau­fen mit min­des­tens zwölf Stun­den­ki­lo­me­tern. Auch mit Dance-Work­outs auf geho­be­nem Fort­ge­schrit­te­nen-Niveau las­sen sich die nöti­gen Inten­si­tä­ten fast immer errei­chen. Gemein­sa­mer Nen­ner aller Akti­vi­tä­ten ist, ist, dass du nach ihrer Durch­füh­rung wirk­lich rich­tig geschafft bist.Wichtig ist noch zu wis­sen: HIIT-Trai­ning bringt in Sachen Mus­kel­auf­bau eher wenig, dafür wäre unter ande­rem das begriffs­ver­wand­te HIT-Trai­ning (kur­ze Gewichts­übun­gen mit maxi­ma­ler Span­nung und Inten­si­tät) geeig­net.

Wie steht es um die Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit?

Der Nach­brenn­ef­fekt hängt natür­lich von der Mus­kel­mas­se ab und da haben Män­ner schon die Nase vorn. Aber, halt – es gibt auch noch das Wachs­tums­hor­mon. Die­ses hat zwar nicht direkt mit dem EPOC zu tun, soll aber erwähnt wer­den, weil es bei Pro­duk­ti­on und Wir­kung auf­fäl­li­ge Ähn­lich­kei­ten gibt. Das unter diver­sen Namen (unter ande­rem Soma­tro­pin) bekann­te Hor­mon wird näm­lich im Hirn­be­reich gebil­det und unter­stützt unter ande­rem wir­kungs­voll den Fett­ab­bau. Eine Mög­lich­keit die Erzeu­gung zu pushen, ist inten­si­ves Trai­nie­ren. Auch eine nach allen Regeln der Kunst zele­brier­te Nacht­ru­he ist hilf­reich, denn auf dem Kopf­kis­sen bro­delt der Vul­kan flei­ßig wei­ter und wirft ver­mehrt hei­ße Fatbur­ner-Lava aus. Was hat das alles mit dem Geschlech­ter­ver­gleich zu tun? Nun, Frau­en sind bes­se­re Wachs­tums­hor­mon-Pro­du­zen­ten, der alters­be­ding­te Aus­schüt­tungs­rück­gang ver­läuft bei Män­nern schnel­ler. Es scheint zudem so, dass weib­li­che Per­so­nen eine stär­ke­re Wachs­tums­hor­mon­re­ak­ti­on beim Trai­nie­ren zei­gen.

Warn­hin­weis

Den Nach­brenn­ef­fekt her­aus­zu­kit­zeln for­dert den Kör­per extrem. Also Warm-up und Cool-down nicht ver­ges­sen. Hoch­in­ten­si­ves Trai­ning ist zudem defi­ni­tiv nicht für alle geeig­net. Untrai­nier­te soll­ten einen Bogen dar­um machen, denn meist sind weder Aus­dau­er, noch Bin­de­ge­we­be­be­last­bar­keit und Gelenk­sta­bi­li­tät aus­rei­chend vor­han­den. Das gilt auch für stark Über­ge­wich­ti­ge. Ins­ge­samt fehlt die Ener­gie, inten­siv trai­nie­ren zu kön­nen. Die Mus­ku­la­tur weist weni­ger Mito­chon­dri­en auf, damit fehlt es an zell­in­ter­nen „Kraft­wer­ken” für die Fett­ver­bren­nung. Untrai­nier­te und Über­ge­wich­ti­ge benö­ti­gen daher Geduld und einen sys­te­ma­ti­schen Trai­nings­auf­bau, bis sie Abneh­mer­fol­ge durch Sport erzie­len. Das kann Mona­te, mit­un­ter sogar Jah­re dau­ern. Per­so­nen mit Vor­er­kran­kun­gen oder aku­ten Ver­let­zun­gen soll­ten eben­falls zu gro­ßen Belas­tun­gen aus dem Wege gehen. Wenn du unsi­cher bist, hol dir am bes­ten ein „Go” aus der Arzt­pra­xis. Und: Wer eh kei­ne Lust hat, sich zu schin­den, braucht auch kein schlech­tes Gewis­sen zu haben. Der EPOC ist ein „nice to have” aber ganz bestimmt kein „must”. Der bes­te Sport ist immer der, bei dem du dei­ne Trai­nings­zie­le mit einer guten Por­ti­on Spaß erreichst.

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Quel­le: shape UP Ladies 2/2023