Uni­la­te­ral? Gute Wahl!

Zur Grund­aus­stat­tung eines unver­sehr­ten Men­schen gehö­ren zwei Arme mit zwei Hän­den und zwei Bei­ne mit zwei Füßen. Auch ande­re Tei­le sind dop­pelt vor­han­den, fürs Training sind dabei aber allen­falls offe­ne Augen und Ohren von Bedeu­tung. Das uni­la­te­ra­le Training hat nun den Ansatz, je nach Übung, ent­we­der ein Bein oder einen Arm nicht zu nut­zen. Das erhöht ent­we­der den Effekt für den genutz­ten Gegen­spie­ler oder erschwert die Übung.​

Unilateral? Gute Wahl! / Abbildung: Djordje Mustur / shutterstock.com

Ein häu­fi­ger Irr­glau­be besteht dar­in, dass sich mit nur einer Sei­te mehr Gewicht bewe­gen lässt. Bei­spiel: Wenn ich Bizeps Curls beid­arm­ig aus­füh­re, bekom­me ich je 20 Kilo pro Hand geho­ben, da müss­te es doch ein Leich­tes sein bei Kon­zen­tra­ti­on auf einen Arm 30 Kilo zu heben. Weit gefehlt. Bei Online Fit­ness Coa­ching heißt es dazu, dass bei uni­la­te­ra­ler Aus­füh­rung die Tie­fen­mus­ku­la­tur viel stär­ker in die Bewe­gung invol­viert ist und deut­lich mehr Koor­di­na­ti­on benö­tigt wird, um die Bewe­gung zu sta­bi­li­sie­ren.

Selbst wenn man bei­spiels­wei­se tie­fe Knie­beu­gen mit der 100-Kilo-Han­tel­stan­ge schafft, hie­ße das noch lan­ge nicht, dass man bei Bul­ga­ri­an Split Squats (sie­he Bild), bei dem ein Bein „deak­ti­viert“ wird, die mathe­ma­ti­sche Hälf­te bewäl­tigt. Nicht nur aus die­sem Grund wird ein durch­dach­tes Trai­nings­pro­gramm nie voll­stän­dig aus uni­la­te­ra­len Übun­gen bestehen. Yan­nis Kar­rer, Schwei­zer Meis­ter im Natu­ral Body­buil­ding, schreibt auf sei­ner Face­book-Sei­te, dass ein Trai­nings­plan mit vie­len uni­la­te­ra­len Übun­gen einer ist, bei dem etwa zwi­schen 30 und 50 Pro­zent der Übun­gen ein­sei­tig aus­ge­führt wer­den.

Auch Diplom-Sport­wis­sen­schaft­ler Thors­ten Dar­gatz schreibt im Netz, dass uni­la­te­ra­les Üben als aus­schließ­li­che Trai­nings­form unge­eig­net ist, aber es gut wäre, immer mal wie­der Übun­gen ins Pro­gramm zu inte­grie­ren. Vor allem dann, wenn mus­ku­lä­re Dys­ba­lan­cen vor­lie­gen. Die­se kön­nen näm­lich in ers­ter Linie nur bei bila­te­ra­len Übun­gen ent­ste­hen, weil die meis­ten Sport­ler dabei, in der Regel völ­lig unbe­wusst, eine Sei­te immer ein wenig mehr als die ande­re belas­ten. Die Fol­ge sei, dass die Sta­tik des Kör­pers durch­ein­an­der gerät und dadurch die Ver­let­zungs­an­fäl­lig­keit steigt. Wich­tig wäre auch zu wis­sen, dass die Abläu­fe oft anspruchs­vol­ler sind als beim beid­sei­ti­gen Üben. Daher soll­te zunächst unter Auf­sicht oder vor einem Spie­gel trai­niert wer­den, damit sich kei­ne Bewe­gungs­feh­ler ein­schlei­chen.

Popu­lä­re Übun­gen

Übungs­klas­si­ker des uni­la­te­ra­len Trai­nings sind die ein­bei­ni­ge Knie­beu­ge (Pis­tol Squat) und der ein­ar­mi­ge Lie­ge­stütz. Beim Squat steht man auf­recht auf einem Bein, wäh­rend das Bein nach vor­ne aus­ge­streckt und so weit wie mög­lich oben gehal­ten wird. Die Arme vor dem Ober­kör­per wer­den in eine waa­ge­rech­te Posi­ti­on gebracht. Dann wird das Stand­bein so tief wie mög­lich gebeugt und die Balan­ce gehal­ten. Das gestreck­te Bein „liegt“ par­al­lel über dem Boden. Nun wird das Stand­bein erho­ben um wie­der in die Aus­gangs­po­si­ti­on zu gelan­gen.

Beim ein­ar­mi­gen Lie­ge­stütz wer­den die Füße wesent­lich wei­ter gespreizt als bei „nor­ma­ler“ Aus­füh­rung. Dann wird eine Hand vom Boden abge­ho­ben und auf den Rücken gelegt. Sie bleibt aber ein­satz­be­reit, damit man sich im Fall eines Balan­ce- oder Mus­kel­kraft­ver­lus­tes abstüt­zen kann. Nun wird der Kör­per lang­sam abge­senkt, bis das Gesicht bei­na­he den Boden berührt. Anschlie­ßend streckt man den Arm wie­der durch und drückt den Kör­per so zurück in die Aus­gangs­po­si­ti­on. Es ist dar­auf zu ach­ten, den vol­len Ran­ge of Moti­on (RoM) der Übung aus­zu­nut­zen. Es bringt nichts, nur ein paar Zen­ti­me­ter nach unten zu kom­men.

Vor­tei­le des uni­la­te­ra­len Trai­nings

Chan­ce auf bes­se­re Mind Mus­cle Con­nec­tion

Uni­la­te­ra­les Üben kann dazu füh­ren, dass Trai­nie­ren­de die Mus­keln bes­ser spü­ren und so geziel­ter ihre Ziel­mus­ku­la­tur anzu­steu­ern ler­nen. Ist die Mind Mus­cle Con­nec­tion (MMC) poten­ti­ell bes­ser, führt dies im Übri­gen auch bei bila­te­ra­lem Training zu einer opti­mier­ten Aus­füh­rung und Belas­tung der Ziel­mus­ku­la­tur.

Training der sta­bi­li­sa­to­risch wirk­sa­men Mus­kel­an­tei­le

Bei der Aus­füh­rung eines uni­la­te­ra­len Trai­nings wird oft auch die Rumpf­mus­ku­la­tur (Core) benö­tigt. Mehr Kraft und Kon­trol­le im Core hel­fen, mehr Gewicht sicher, also mit gerin­ge­rem Ver­let­zungs­ri­si­ko, zu bewe­gen. Zusätz­lich kön­ne die ver­bes­ser­te Kon­trol­le auch zu einer schma­le­ren Tail­le und mus­ku­lö­se­ren Abdo­mi­nal­re­gi­on bei­tra­gen.

Gerin­ge­re Limi­tie­rung durch kar­dio­vas­ku­lä­re Fit­ness

Gera­de bei Mus­kel­grup­pen wie den Bei­nen, wird eine rela­tiv hohe kar­dio­vas­ku­lä­re (Herz und Gefäß-)Fitness benö­tigt, um höhe­re Wie­der­ho­lungs­zah­len zu errei­chen, berich­tet Yan­nis Kar­rer. Wie kar­dio­vas­ku­lär for­dernd eine Übung ist, hängt vor allem von der invol­vier­ten Mus­kel­mas­se ab. Mehr Mas­se benö­tigt mehr Sau­er­stoff und pro­du­ziert bei ent­spre­chen­der Belas­tung mehr Pro­to­nen, die als CO2 abge­at­met wer­den müs­sen, damit der Blut-pH-Wert nicht zu stark absinkt. Wenn man eine Übung uni­la­te­ral aus­führt, kön­ne dies bewir­ken, dass man den Mus­kel auch bei höhe­ren Wie­der­ho­lun­gen bis zur Ermü­dung trei­ben kann, bevor man keu­chend den Satz früh­zei­tig been­den muss.

Training pri­mär uni­la­te­ral arbei­ten­der Mus­kel

Als Bei­spiel bie­ten sich hier Hüft-Adduk­to­ren und ‑Abduk­to­ren an, denn die­se wer­den bei bila­te­ra­ler Aus­füh­rung nur wenig bean­sprucht. Die Adduk­to­ren und der mitt­le­re Gesäß­mus­kel Glu­teus medi­us als wich­ti­ger Abduk­tor, haben bila­te­ral vor allem eine sta­bi­li­sie­ren­de Funk­ti­on. Je nach gene­ti­scher Ver­an­la­gung kön­ne dies bereits rei­chen, um optisch und funk­tio­nell zu ver­nünf­ti­gen Ergeb­nis­sen zu kom­men. Aber oft ist dies nicht der Fall und man will die­se Mus­kel­grup­pen effek­ti­ver bean­spru­chen, ohne sich auf die Adduk­to­ren-/Ab­duk­to­ren-Maschi­ne beschrän­ken zu müs­sen. Dafür eig­nen sich Übun­gen wie die bereits erwähn­ten Bul­ga­ri­an Split Squats oder Aus­fall­schrit­te.

Poten­ti­al für ver­bes­ser­te Sym­me­trie

Wenn bei uni­la­te­ra­len Übun­gen zuerst die schwä­che­re Sei­te trai­niert und dann auf der stär­ke­ren Sei­te nur die hier erreich­te Wie­der­ho­lungs­zahl ver­wen­det wird, kann dies laut Yan­nis Kar­rer dazu bei­tra­gen, eine bes­se­re Sym­me­trie zu errei­chen.

Als Vor­teil wird auch die Ver­let­zungs­vor­beu­gung genannt (1). Denn uni­la­te­ra­le Übun­gen trai­nie­ren die für die­sen Effekt wich­ti­ge Tie­fen­mus­ku­la­tur immer bes­ser als beid­sei­ti­ge. Zwei Nach­tei­le wur­den schließ­lich auch noch gefun­den: Die län­ge­re Trai­nings­dau­er (klar man muss ja die Sei­ten wech­seln und dop­pelt braucht mehr Zeit) und ein Ego­pro­blem, das bei vie­len ein­set­ze, wenn das Gewicht redu­ziert wer­den muss. Also: Wer Zeit mit­bringt und kei­nen Gesichts­ver­lust durch Gewichts­ver­lust fürch­tet, kann uni­la­te­ral lang­fris­tig an Kraft und Mus­kel­mas­se gewin­nen.

Quel­le: shape UP Fit­ness 2/20
Abbil­dung: Djord­je Mus­tur / shutterstock.com